Freitag, 4. September 2009


Ein Schlachtschiff im Oktober

Was trieb Dich Unthier zu der langen Reise;
Macht dich Amerika nicht satt?


Unter des Oktobers Kartoffelkäferpenistiefgang bremste die glänzende Kielfläche des USS-Colorado-Straßenbelags zum Eichhölzchen 7 und kommt nicht zur Ruh. Und unter des Oktobers blauen Bändern drehen sich Larven, locken die goldenen, wärmenden, die pädophilen Fingerspitzen zu den Straßenseiten, hinter die Vorgärten, hinter die Blumenbeete, hinter die beschatteten Fassaden; vom Schwert, d.h. vom Kartoffelkäferpenisgrundriß, d.h. von den Aufbauten unter der Straßendecke heraufgespiegelt aus den steilen, spitzdachähnlichen Hälften von Dürers betenden Händen, den Schwertern zu Schloten, zu Mastspitzen, zu Fingerspitzen, entgegen der Wünschelruten-Tauchrichtung und ab durch die Hecken nach links und nach rechts, hinein in das traute Heim. Es grüßen von allerlei Nachbarschaftsfensterbänken aus allen guten Stuben Flaktürme in Blumentöpfen; und von hinten, von hinter den Gardinen machten die Häuschen am linken, am rechten Bordrand aufeinander nebeneinander am umgekehrten Schlachtschiffrumpf sich fest. Sie schwappen verankert an blauen Bändern in „Di-Di-Di – Da – Da – Da“ – sie wuchsen aus des Taufbeckens penisberührtem Grund zu den Bäumen hinauf in die Äpfel- und Birnengärten. Da sitzt, da hängt das nach Mädchenart zu Verdichtende ungepflückt und dröhnt wie grünes Obst und läßt dort flattern die Stumpfhosen links und rechts und über der aufbautenaufgewühlten Grabestiefe des glänzenden Kielstreifens, neben der unsichtbaren, unsinkbaren Schneckenschleimbremsspur des umgekippten Schlachtschiffrumpfes zum Eich-hölzchen 7, da wummert der Diesel in diesem grellen wie unsichtbaren Mündungs-Feuerkopf, da walkt ein überfaust-II-großes, hinter den Häuschen stehendes Zementmischerding, das gigantische Bildermischer-Schollenwender-Sportlerherz der die lieblichen Mädchenblicke fallenden Herbstlaubs unter die klare Mittags-Gesamtsuppe mischenden Schiffsmaschine zur Mitte der Welt, und still und stumm düst ein Postbotenjungspund von Haus zu Haus und stopft seine Postrohre in allerlei kleine und große Kanonenloch-Kastenkuckucks-Uhrenklappen und schießt bald hierhin, bald dorthin. Sie alle, die hinter den Wänden in „Di-Di-Di – Da – Da – Da“ auf- und abgehen, dümpeln und warten: sie alle benutzen sein Fahrad und sitzen bei Tisch und allesamt rauchen sie Pfeife da draußen. Sie sitzen in stiller Stube, da draußen, auf Graten und Sprüngen, Terrassen, auf Treppenstufen. Die gartenmilden, kleinen, flimmernden spinnennetzfrontseitigen Häuschen im Eichhölzchen mit ihren Herbstblumen am Holzgitter, ihren Kanonen¬röhrchen in Kübeln, im Aufbauten-Gepuzzle hinfort vom alles begründenden, begrünenden Schwert zu den flügelschlagenden Wandfarben, dem dürftigen Rauputz, den groben Signalflaggen, den Schloten, den Wolken, hinauf in den schützenden Schiffsglocken-Totenkopf-Glaskugelhimmel...: Ein Tunnelblick durch und durch. Und falls dann ein Männleinweiblein mit strickmusternden Fußtritten leise, ganz leise aus einem der Waldrückenstücke der aufbauten¬angepassten Häuschen hinaus in die tiefe Straße tritt, stürzt eine irrsinnig abgefeuerte Libelle den Himmel entlang. Dann taumeln die Schmetterlinge, dann ziehen sie Rauchspuren, dann hängt der rötliche Sonne-Mond, ein Luftballon, ersoffen im Mastbaum unter dem Wasserstraßenbelag. Und wenn dann sämtliche samt- und sonderlichen Männleinweiblein wie auf Kommando zur Arbeit gehen, die Glastüren öffnend, sie krachend ins Schloss fallen lassen, so daß sie mitsamt dem schwarzweißen Glasknochen-Himmel zerspringen, dann fallen die Vögel zu Boden, in sämtlichen Phalanxanlagen der Fensterchen blitzen die Flakfeuer-Zungen¬spitzen, die haribobunten Azaleen-, die Orchideen-, die Begonienköpfchen. Dann heißt es: bis später, bis heute abend, bis dann. Die Mädchen sind weiterhin angepeilt und unreif und warten in den Bäume-Birnen-Äpfeln ganz still, bis Papamama und Mamapapa wieder mit blutigen, d.h. mit nassen Haaren aus der Straße steigen, durch die kleinen Käfernachfolger am Straßenrand und fortfahren und heimkehren.

© Thomas Krüger, September 2009

Follower