Montag, 25. Januar 2010


Neulich im DM

Ich frage mich, was gehn mich meine
Massentötungen von gestern an?
Was nimmt Christine Westermann
für ihre biologisch abbaubaren Beine?

Die sind wohl kaum so cellulid wie meine.
Ob man den Klimaschutz mal testen kann,
bei diesem Achselspray mit Puma-Bann?
Kein Tier soll leiden. Nicht mal Schweine.

Vielleicht Kosmetik aus Afghanistan?
Naturkosmetik? Um den Taliban
zu schaden. Feuchtigkeit besiegt das Böse,

Volumen-Serum, schick von Udo Walz
und Avocado-Lotion für den Falten-Hals.
Die Tube paßt auch schön in meine Tasche.

© Thomas Krüger, Januar 2010

Donnerstag, 14. Januar 2010


Ichthyotisches Sonett

Dann verstanden die Fische die Sprache der Tretboote:
die Flächen der Tretbootverdunkelungen –
lernten die Jungen – hätten geklungen
wie Klatschen mit höherer Seenote,

bevor ein tretbootverdunkelter Fischbote
die Bootsignale als himmelsdurchdrungene
Warnung heiliger Seezungen,
als Zeichen deutete: die Fischwelt verrohte!

Je roher der Fisch, desto schlechter,
warne ein Rechteck-Gerechter -
so quatschte der Fisch.

Das Rechteck als Zeichen des Tischs
erfordere Garung des Fischs.
Dann käme der Fisch auf den Tisch.

© Thomas Krüger, Januar 2010

Donnerstag, 7. Januar 2010


Deutsches Museum: Otto

An Spinnweben, der du da hangest,
drumherum Museum und wiederum
drumherum unmuseales Beben, um
welches Sphären kleben, und drumherum
wahrscheinlich Gottwahrscheinlichkeit und
drinnen Nach-draußen-Glauben, auf
Luftbewegungen, Fliegen, kleinen
Wirbelungen, Bekreuzigungen, heim-
lichschnellen, und drinnen Dunkel-
Luft und drumherum die Knochen und
Knochenbrecher und so und Fliegen-
Beben und Flügel-Heben und -Sinken und
Schnelles, Allzuschnelles und Weben und
Weben. Ogottogott.

© Thomas Krüger, Januar 2010

Montag, 4. Januar 2010


Erkenntnis

Im Bahnhofs-Bistro Tutzing hängt von Casablanca
ein Blechschild mit dem Bild von Bergmanns Ingrid.
Man weiß nicht, wer den Wirt zu diesem Ding riet,
es wirkt wie ein ins Flach gelegter Anker.

Darunter saß, als ich es sah, ein Punker.
Sein Weißbier zog, wohin es Biere hinzieht:
es feuchtete im Geist von Let dat Ding bleed
den Hocker mit – naja: mit feuchtem Schanker.

Ich kam und sah und dachte: Gott, ein Punk;
besoffen, übelriechend, harmlos – Gott sein Dank;
ein Teil der Kraft, auf die wir schworen – lange her.

Ich sah in deine Augen, Blechschildschöne;
ich hoffte, dass er sich auch weiter still zudröhne,
und war ganz aufgeregt reaktionär.

© Thomas Krüger, Januar 2010







Lesung des Sonetts auf YouTube


… coming over the Starnberger See …

T. S. Eliot


Am Firmensitz von McDonalds in Bernried am Starnberger See bemängelte der CEO des Unternehmens, Charles Dexter Stickbeef Buschman Junior III, die nächtliche Wirkung der maisgelbgoldenen M-Reklame, leuchtend von ihrer kilometerhohen Siegessäule auf dem nahen Ilkaberg, reflektiert von der leise gekräuselten Seefläche – und tatsächlich: starrte der Vorstand doch abends geschlossen aus dem Hochsitz-Panorama-Seeseiten-Fenster des Teehauses im Bernrieder Anheuser-Busch-Woods-Stiftungs-Park, von wo aus Big M die Burger der Welt koordinierte, und sah, daß es völlig verschwommen und nicht zu genießen war: ein maisgelbgoldenes, in viel zu viel cholesterinfetter Butter zerlassenes M auf der Wasserfläche zwischen Bernried und Seeshaupt am Südufer des Firmengewässers. Der Vorstand unter dem Vorsitz von Charles Dexter Stickbeef Buschman Junior III ließ darob zur Markteinführung des CO2-freien Fischburgers Ludwig Zwo die Technik der allerneusten Leuchtreklame teilhaben am neuen Zeitgeist der unbegrenzten Möglichkeiten und installierte in Kooperation mit Apple Inc. – d.h. dem höchstpersönlichen Steve – there’s one more thing – Jobs und seinen Jüngern – auf der Siegessäule hoch oben auf dem Ilkaberg, ein fluido-mobil-stationäres, gigantisches M, dessen quicksilbrige – genauer quickmaisgelbgoldene – Reaktionen auf die Reflexionsmuster des gekräuselten, kabbeligen, gischtbetupften bis stürmisch bewegten Seewassers ein unmittelbares Korrigieren bedeuteten, das heißt in unmittelbarer Wechselwirkung mit den Unruhen des Wassers zur völligen Glattzeichnung des M auf besagter Seefläche führten. Die fließend maisgelbgoldene aquakutane Starre des mächtigen Buchstabens mit den Subkonnotationen Mensch, Mundo, Mund, Megatonnen, Mais und Magen (deutsch) ruhte fortan wie ein Hubschrauberlandeplatzsonderzeichen quasi wie festgemauert, wie eintätowiert, selbst auf den gischtigsten, kabbeligsten, stürmisch bewegtesten Wassern des südlichen Nassgrunds, diametral entgegengesetzt sozusagen dem König-Ludwig-Grund bei Berg, während das hohe M auf der Ilkahöhe, und mit ihm jedes abgeleitete M auf einer der Höhen der Welt, tanzte, zuckte und fluktuierte, oder auch nur zitterte – für ein standfestes, gigantisches – oder auch nur winziges – M in allen denk- und erreichbaren Reflexionen, Abbildungen, Spiegelungen – vom kleinsten, tränenverzitterten Kinderauge bis zum pissgelben Riesen-M auf dem wie rasend zusammenkrachenden Ross-Schelf irgendwo am knackenden Rand des antarktischen Pol-Pileolus der südhemispherischen Welt. Der Fischburger Ludwig Zwo wurde, nebenbei gesagt, ein voller Erfolg. Die zahlreichen Hubschrauber-Abstürze im Nass zwischen Bernried und Seeshaupt wurden im zentralen Teehaus der Firma als willkommene Zusatzwerbung verbucht. Das große, abgeleitete M auf dem Times-Square der bekannten Stadt New York City westlich von Bernried tanzte in einer rasenden Sturmnacht, die den Starnberger See im folgenden Winter heimsuchte, so ausdrucksstark, so ungewöhnlich agil, so ausgelassen, daß den Freestyle-Hiphoppern der begeisterten Stadt New York in einiger Entfernung vom Firmensitz in Bernried beim Versuch, den maisgelbgolden Tremor in einen neuen Style zu überführen, reihenweise die Beine brachen. Aber es blieb ja, zum Glück und wie immer in solchen Fällen, nicht bei einem einzigen Versuch.

© Thomas Krüger, Januar 2010

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