Freitag, 31. Juli 2009


Grüne Birnen

Grünes Birnchen-Gebirne: quietschende Tachykardie. Die Oma
war eine Baronin. Ich lutsche Zitrone. Sah sie am Morgen im
Mantelmorgen im Lärchenmantel-Nadel-Adel: mülleimer-
große Soldatenstiefel mit Nachtigallen beim Ersticken drinne, Stücker
zweie. Kleine Schritte, 2 x Stille. Nadelfallen. Geblieben ist das
Urbild von allem Manteln: Weltalk. Meine Oma. Ein dürrer Stamm
und dürrere Äste, dürrste Zweige, Fingernägel, Vogelkrallen von
grünem Birnchen-Gebirne voll und Nachtigallen in meiner Pumpe,
verkehrtherum fliegen sie, flattern wie blöde. Das Blut ist im Schuh
am Stiefel – Osmose, das Hosenbein nackt zu sein. Oma verlor
wie blöde – ein herrlicher Flammenmantel brannte und ihre Füße
mit toten Vögeln drinne: Mülleimer – Heroic-She-Male-Stiefel. Mit
gelben Signallampen voll der Straßenbaum am grünen Wesen. Havelland-
straße am Nachmittag. Männer-des-Gartenbauamtes-Orangen bringen sie,
überall bringen sie Birnen an, ziehn aus Zerbirntem Birnung wie Oma, die
irgendwie weißaarig: Schneefall. Ostfrontiger Frauen-Frostpelz. Mit
gelben Birnen vollgekotzt Rapunzel: schneidirmaldiehaare…

© Thomas Krüger, Juli 2009

Samstag, 4. Juli 2009


Das Sandsack-Syndrom

…we may confidently come to the conclusion that the forces which
slowly and by little starts uplift continents and those which at successive
periods pour forth volcanic matter from open orifices are the same.

Charles Darwin: The Voyage of H.M.S. Beagle

Infolge spontanmutativer Veränderungen verbunden mit unbekannten, unerkannten, unvorhergesehenen Kettenreaktionen im Zellstoffwechsel von Männern verwandelte sich das Corpus Cavernosum sämtlicher erektionsfähiger Penisse in eine Art Sandsack mit kräftigem Bananenstutzenansatz am Sitzbein und stand bei Erregung meterhoch aufgerichtet, breit wie ein Eichenstamm, die Eichel auf Kopfhöhe, der prall geschwollene Sack im Winkel von ca. 40 Grad nach vorne geneigt, auf Armlänge vom Restkörper ab; und während die meisten Männer bereits in der ersten Befüllungphase der übergroßen Schwellkörper vornüber zu Boden gingen und an Blutleere, d.h. an einseitiger Blutverteilung starben, zeigte ein halbes Promille der Betroffenen den seltenen Anpassungscharme des widerstandsfähig Maskulinen: Zunahme der Blutmenge bei vaskulärem Ausgleich, Y-Winkelung mit dynamischer Balancestellung von Oberkörper und Schwellkörper; geschlossenen Erregungskreislauf, gestützt durch den mächtigen Blutdruckunterschied zwischen Kopf und Eichel quasi als Minus- und Pluspol mit ausgleichenden Boxhieben: sie konnten nicht anders, mußten sich entladen mit schnellen Schlägen wie faustgroßen Elektronen, die, gegen den Eichelrand prasselnd, den empfindlichsten Teil des Schwellkörper-Sandsacks bearbeiteten, bis dieser nach 4 oder 5 genauen Treffern auf freie Nervenendigungen und Meissner-Körperchen ein inneres Feuerwerk zündete, die innere Rakete starten ließ und Ejakulat wie die Atemfontäne über blasendem Pottwal, wie sprudelndes, weißliches Öl überm Bohrloch aufblühte: hinaufgespuckt, schillernd im Licht: der Kopfschmuck von Zirkuspferden, ein Eimer voll Sperma – der Tod infolge von Flüssigkeitsverlust bar jeder Vernunft: er raffte die Mehrheit der Sinkenden, nach gezündeten Lenden Schwächelnden dahin; der Rest wurde gepflegt, von stillen Schwestern, Matronen der Unterwelt, sigunischen, leidenden Heldinnen: Frauen voller Opferbereitschaft und Stille im Zentrum ihres Mauerblumenwesens: die Männer wurden gepflegt mit Trank und Minne und violinenen Liedern bis zur Wiederauferstehung vom KO. Dann aber regten sie sich erneut, erregten sich, tänzelten: die lebensfähigen Männer, ihren schwerfälligen Tanz mit sich selbst, ihren Kampf, ihren Spannungsbogen von steigender Erregung zu faustischem Hagel zu Klimax und völligem Darniederliegen. Wieder und wieder. Sie tanzten und boxten und sanken. Wenn sie nicht gestorben sind, kommen sie da auch nicht raus.

© Thomas Krüger, Juli 2009

Freitag, 3. Juli 2009

Sonette an Donald Duck

ein unvollendetes Projekt


I


Tischlein deck dich, Tischlein deck dich.
Tischlein, laß die Innereien
nach erstickten Todesschreien
dampfen, duften: Tischlein, duck dich,

duck dich unter haute cuisinnlich
applizierten Spezereien;
unter Leichen, schädelfreien,
denen Hämatome prächtig

Farbe leihen. Laß die Schwenker
bunter Lätzchen, Tischlein-Denker,
satt in Traumen Träume lesen.

Zeige blaubeerrot Substanz,
halb geronnen, Knüppeltanz-
Gerichtetes, wo Kopf gewesen.








Lesung des Sonetts auf YouTube


II

Heißluftballon über Leverkusen: Häuser brennen,
Fernsehgeräte und –wälder, –stoppelfelder.
Brennende Sender, lauter als Feuermelder,
gellen um Hilfe. Und Ghostbuster brennen,

Zimmerbüsche und Traumfabriken brennen,
Stoffgiraffen... Am Abend legt sich goldgelber
Dämmer auf den letzten Lärm tosender Bilder:
Guckende Geduckte lassen sich weiterbrennen.

Der Heißluftballon steht still und leuchtet zum Feier-
abend dann und wann den Schloten bei Bayer:
ein friedlich sinnendes Ungeheuer von Lanxess.

Weißer Riese, bringe das Feuer, Flammenfinder,
im Lampionhintern. Brenne für Kinder,
die Dich verloren, so scheint es, your Highness.








Lesung des Sonetts auf YouTube


III

Am Autobahnrand, wo das Rasen des
Messers unglaubliche Schärfe ist, fegt
der Wind durch vergilbte Seiten, regt
der Fahrtwind, sein pulsweises Blasen, des

kleinen Wesens Zorn: ein grob zerlesenes
gelbes Basis-Buch, politisch bewegt
zum tristen Ort, wo kaum noch was geht,
nur Seiten–wie–Fäuste–Erhebendes.

Das Elend der Welt: keiner und jeder
hört das Hundegebell, sieht die Federn
gerissener Tiere. Jenseits der Bahn

scheint jeder seines Nächsten Onkel Sam.
Diesseits irren die irrenden Diesseitigen…
und wetzen ihr Sehnen am Autobahnrand.


IV

Heide - Husum: bahnlahm, Verse knotend,
seh ich, plötzlich, epiphanisch, Schafe,
am Eiderufer Wollgeblitze, brave,
sattgedachte Findlingschafe, kotend.

Kein Hirtenköter nirgends: friedlich totend,
Bukolik, deren schlimmste Käuerstrafe,
Koliken, sich kaum aufmacht unter Schafe.
Doch unter diesen, danaoden brodelnd,

scheint eins im zweiten Geistesblitz beseelend -
das Schaf zu sein, das alles Schafsein... Elend!!
Der Schnellzug schlängelt weiter Richtung Küste,

das emanate Weiß wird hinterhügelt...
Gedanken, daß es Schaf mit Wut beflügelt,
umschlingen mich. Wenn ich nur weiterwüsste!



Lesung des Sonetts auf YouTube


V

Gräser, niedergedrückt, wovon auch immer.
Weizenfelder mit eingetrichterten Schneisen.
Hänsel-und-Gretel-Hände verstreuten Hinweise,
konzentrisch subtil. Es wird wohl schlimmer.

Spurenverdichtung und dann: Trümmer,
Holzsplitter, Federn in blutigen Kornkreisen;
laute Nebensächlichkeiten bis an das leise,
abkehrumzäunte Zentrum der Trümmer.

Sie haben da Ruhe - in den Augen des Sturms.
Sie sagen: sie haben des Wachturms
Schutz - und sie schweigen, mit seiner Größe.

Denn dort ist dort und hier ist hier: sie sagen
niemand von ihnen würde es wagen…
im Gewitter der Zäune… in blitzender Blöße...


VI

Möwen schweben. Luft an blauen Zitzen. Klein ein Schiff,
ein Leichtöltanker. Wolkenlämmchen, schönverloren.
Fleisch rot-weiß liegt schwebend, schaumgeboren
im weißen Feinstaubsand, den Äol schliff.

Ein Engel könnte auch nach Hundepfeifenpfiff
nicht landen hier. In allem Strandrumoren
ist soviel Schweben, Fliegen: Ballgepfiff um Ohren
und Plastiktütentreiben Richtung Kliff.

Doch abends, wenn ein Schwimmer abgetrieben,
gesunken ist, so gegen sechs, halb sieben,
kommt unvermutet doch ein Engel nieder.

Dann bleibt am Boden Kot nach Sandbetölung,
rot-buntes Volk begafft die letzte Meeres-Ölung,
und Gischt geht durch ein mächtiges Gefieder.


VII


Jesus! He came down, as if from heaven, quacking: “Bon Giorno!”
Funny guy – Ha! Ha! Ha! – und das Bild auf dem Fallschirm? Ich meine,
darunter, der Gehängte, die gestiefelten Beine, und
darüber aufgespannt die helmtragende Rache für Adorno?

Right in the Fuehrer’s face – Ha! Ha! Ha! – like an A-bomb, or no:
like an Angel with orange feet: alle Engel ssind peinelik?
Nein: schrecklich. That‘s it – Heinrik Heine?
Nein: Rilke. Another witty German – like Adorno.

O’ that sunny smile: Shall I compare thee to a D-Day-Zirkusheld?
You remember the scene in Dumbo when the big top… das Zelt?
Exactly – zussammenfällt: Doitschland wir webbern dein Leichentuch…

Heine? Right! – Und dann und wann ein weißer Elefant.
Rilke – And the Germans where dann und wann ohne Verstand.
Elefants in Knobelbechern – Right. Aber jetzt ist alles gut.


VIII

Schnüre im großen Mitein-All
Gewürme, wie chromatinene DNA,
was verkett-, verkabel-, verbänderbar
verzweit sich im Angeschnall:

dein Ander: ein Dauer-Zusammenprall,
Immer-Unnahbar,
alle sind Maximalpaar,
ständiges Zwei-sind-ein-Gegenfall,

alles ist Un-Duo-tum.
Raumspaziergang: doppelter Irrtum.
Keiner ist Schiff: das ist immer

der jeweils andere Schwimmer,
Flieger, Taumler im Bola-Duett
von ganz Ohne – ganz Mit.


IX

Kopf und Füße außerhalb ihrer selbst. Dynamik.
Kalte Knie in lauter Blaue-Flecken-Dunkel.
Die Nacht aus allen Ecken: Becken-Geschunkel
und dunkler Schwindelkram, Triumphkeramik.

Ein Tanz von Mitten. Härteste Umschenkelschwanik.
Urethralsignale. Zerebraler Funkel.
Fixier-verwirrendes Verfütter-Dunkel.
Die-frühe-Milch-von-Hitchcock-Pelikanik.

Die Nacht: ein Wille aus kaltem weißem Flaum,
Schlangenhals und Schüssel, Partner im Traum,
umstolpertes Zeugs nach Komasaufen.

Du wachst dann auf und denkst, der Tag ist wieder
dein weißes Podest. Du läßt dich nieder,
mit Kopf und Füßen darin einzuschlafen.


X

Also nochmal: Urknall, Schrotstücke,
kurze Distanz, zerfetzender Durchschuß,
ein Klumpen Vogelschiß –
Klatsch! – An die Rampe der Eisenbahnbrücke.

Hartes Geficke.
Hagel-Kuß.
Ein spritziger Schluß.
Wie jeder der Abdrücke.

Das Bunte in der eingeweideroten
schönen Bildwelt. Noten,
Graffity-Tupfer im Zugverkehr-

wandzeitungsbogen. Schießend weiterjagen.
Schauer, durch Federn gefahren.
Hinomaru mit Flare.


XI

An Zimmern – kein Mangel.
Rechts, nein, nicht so weit, links,
ein Stück nach rechts, wieder links,
stop! Ihr... Engel?

in eurem Gedrängel?
Viereckige Welten ins
nirgends gefenstert, ins
Von-Fenster-zu-Fenster-Hangeln,

von Panel zu Panel, draußen,
hier, wir Weltaußen.
Von wo aber lenkt man?

Der Arm, aus dem Bild heraus,
Gefallenen zu? Ins Weltaus?
Ein Schlüsselbild, denkt man.


XII

Ich bin nicht die, die... tja – nun ratet mal, ihr Krücken:
Ein Körper Transplantate von plan-tranchierten Tätern,
untoten Potentaten mit Drang, sich zu verspätern
im Gurte meines Leibs – dem Trug aus freien Stücken:

der Morgenbartlosblick mimt Killerbild-Entzücken,
des Mittags Blutvergießen dient liebesbuntem Zetern,
dem Abendflammenraffen die Austrittskraft von Tretern,
den Nächten Umgelegter ein telegener Rücken.

Kapiert ihr, wie sie ticken? Die zahnlos wie Infanten
so reißwolfgleichen Killer: sie stillen euch von hinten.
Und ich bin ihre Geisel? Ihr kollektives Kind?

Sie lassen mich bestaunen. Sie lassen ihre Launen,
geschickt versteckt in Federn, quäken anstatt raunen.
Ich lebe, lausche leisem: der Süße da, er spinnt...


XIII

I think continually of those who are truly great…
z. B. die Boeing 747 Rheinland-Pfalz,
das stolz geschwollen leichtmetallene Gebalz
von grade abgehoben bauchbetontem Fluggerät.

Ich sehe dessen große weiße Attraktivität
noch weiter aufgebläht, sobald des Greifen Fahrgestells-
bereifung eingefahren mit dem Leib verschmolz.
Wie kühn, dem solche hodenlose Größe steht!

Und dieses neckisch blaue Mützchen auf dem Heck,
dem knackigen Beschluß der Schiebung: keck!
Wie wuchs aus anaboler Blöße solch ein Aerobus?

Und welches Ei entließ den Korpus, der zur Sonne eilt,
der hoch im Laich ein Weilchen Streifenmilch verteilt?
Was hüllst du ein, du Kranich eines Ibykus?








Lesung des Sonetts auf YouTube


XIV


Ich habe es nun – ach! – verstanden, Vieh:
du hast mir Schwäche vorgegaukelt,
mich hat dein Watschelgang verschaukelt,
dein starrer Blick verstrahlte Apathie.

Du warst die Pose, ich die Idiotie:
Der Schwanensang, daß nichts dein Aug hält,
in deiner ach so enggefaßten Schauwelt,
verlockte meine West-Philosophie,

die du in ihren habermaßschen Gutmensch-Fragen
in deine Westentasche stecktest sozusagen.
Dein Blick war ja nur müd geworden, weil er

im Diesseits, hinter trügerischen Gittern,
allein auf Typen fiel, die hirnlos twittern
und dumpf und untot defilieren: leider.





 

Lesung des Sonetts auf YouTube



XV

Ab morgen früh besteht der Himmel
aus Werbeflächen, groß wie dieser,
nur farbiger und inhaltsmieser.
Ab morgen recket euch wie Pimmel

nach hohem Wort-und-Bild-Gewimmel,
Verkündigungen marktpräziser
Banner, Botschaften und Teaser.
Ab morgen steht hier etwa Camel

in high-tech-sirrendem Azur
mit Großraumflieger–Schlüpfstruktur -
so meilenweit und farbenfett.

Ab morgen wirkt es schon verwüstelt,
daß ihr den Bildern bald was hüstelt:
doch last ihr alle dies Sonett.


XVI

Sehr viel größer als eine Feder durch deine
schmale Brust nicht sinken, den
Fallschirm zu Boden lenken, den
Kopf aus seinen Wolken nicht lösen können, eine

lange Reise durchs rasselnd einge-
atmet feine Zwitschern, Singen: dehnt
der Flug, der keiner ist, den
Flug auf dünnste Schilfrohr-Beine.

Torso von Fallschirmsprung: bedecke ihn, laß
Dauerregen den Wolkendunst, das
Wasser nie erreichen;

Knabe, Fliegender und Fallender:
setze den Feder-Fallen der
Teiche, deinen Wiesen kein Zeichen.


XVII


Blaue Ente braucht Nistplatz. Überall Wasser:
Nord-Ost-Süd-West. Bethlehemische Situation.
Blaue Ente in einer Seenot-Suchaktion
bloß Wasserweib-Knie und –Schulter. Überall Wasser.

Nistplatz? Wohnplatz? Entscheidung. Überall Wasser.
Nicht lustig für blaue Ente. Doch wenigstens Wohn-
und Nistplatz. Wer hat das schon?
Blaue Ente baut Nest auf Knie. Überall Wasser.

Blaue Ente füllt Knie-Nest. 7 Eier.
6 goldene, 1 eisernes. 7 Eier.
Blaue Ente schneller Brüter. Knie wird heiß.

Wasserweib-Beben. Gold-Eier kaputt.
Welt aus blauer Enten Gold-Eier-Schutt
mit Kern aus Eisen. Was das heißt? Wer weiß.

XVIII

N Kinosessel: verbunden im Blockbusterdämmer
von Spätfilm-Massentod durch weiche Fragezeichen
von Menschen, die vorausgebeugt auf leuchtend bleichen
Laptops Tiere hüten, Dokumentenlämmer;

die ihren Lämmerzustand pflegen, Tasten hämmern,
so daß sogar im schlimmsten Filmfall, fast wie Leichen,
die weißen Tiere nicht von ihren Seiten weichen.
Sie zucken nur in kleinen Bildschirm-Kammern.

Und N+1, das ist Balkon, ein Frontsitz, oben,
von wo die Lamb-Tops unten wie im Gegenfilm verwoben
verlichterketten, Schirm für Schirm,

daß plötzlich Wellen weißer Elemente
von Bild- zu Bildschirm ziehn: bedeutungslose Dokumente,
von N+1 aus wie ein Midgard-Wurm.


XIX

Wie schwer war der Gedanke, es sei die eine zurückgekehrte
Taube gewesen, die den Blick zu den Schornsteinen zog:
Ein Sprechblasenblümchen, ein blaues, in ihrem kleinen
Schnabel, flog sie, trug sie, vom Himmel herab, das himmelverzehrte

Ding aus Nichts, das Wolkengewölle, brachte das unerhörte
Winzige, von Räumen, verschlungenen Armen, Gebeinen
unmöglich Scheinende, das plötzlich zwischen den Steinen lag
im seltsam hellen Inneren der Häuser: das Himmelverzerrte…

Wir dunkelten darum herum. Es geht im Tageblau der Blues
von dieser aus dem Off gekehrten Taube, schwarz von Ruß.
Wir Häuser um den Schlund herum: die vielen Schlote;

Orte, Städte, Metropolen – schweigend stille Feuer.
Wir stehen ohne Worte um ein dunkles Ungeheuer,
das wo geblieben, woher kam und womit drohte?


XX


Alle Enten sind schrecklich. Und alle Hühner
sind nichts als des Schrecklichen Anfang.
Hühner sind Diesseits, doch Entenfang
dämmert über allen Hühner-

ställen wie ein stummer, ungestümer
Schrei nach Drüben: Heimgang,
Hühner- und Himmelsleiter-Abgang:
Alle Enten verlassen das Elend der Hühner,

entdecken Amerika oder die Länder der Sterne,
sind irgendwann Ferne,
durchstoßen die Ausdehnungsgrenzen

des ausdehnungsgrenzenlosen Universums: Kluge
Sternbild-Verwischer sind Enten. Im Fluge
sich gänzlich entfernendes Bürzel-Tänzeln.








Lesung des Sonetts auf YouTube


XXI

Liebt der Dukdalf-Campingtisch
auch mich? So wie ich ihn?
In dessen Mecalit ich, nach dem Aus-dem-Rasen-Ziehn
der dünnen Alu-Beine, stürmisch

mich verlor? Es war so frisch,
sie fror. Sie lag, nach mutualem Ausziehn,
weich und gänsehäutig, es geschehn
zu lassen, lecker da. Auf diesem Tisch,

auf dieser blassen Platte für das Not-
dürftigste: das, was zählt. Ich war so rot
und so erregt. Dann sank er plötzlich weg,

der Tisch, die Beine sackten in den Dreck.
Sie floh vom Tisch. Ich klappte ihn perplex
zusammen. Nahm ihn auf. Was ist schon Sex?








Lesung des Sonetts auf YouTube


XXII

Bächlein, Bächlein, wo die Füßlein Salto schlagen,
schön gefaltet? Weich und luftig, so ein Lauf von
Welt, darummen federen die Pilze: etwas hocke-
nicksen Pilzlein, töte durch dich durch sich

nehm Zürück, seh wachsen, wasser-
wiege-fließen. Bächlein, Bächlein: lies vom
Nil, so wie du fließt, ein nasser Sohle Hirnge-
Spinster, Vibratoren-Buschwindröslein. Höslein-

Runterschönchen. Fettes Blut und Schnäuzchen-
ylle. Leichenteil am Waldrand, Doktor-Titel,
weht noch, tut es etwas gut. Ein Brotstück

groß, dich grade zu verlaufen, Bächlein. Du.
Dort Scheusal um den Nagel durch die Hand du
scheues Rinnsal. Rehsel.


XXIII

Aus der besten der Welten ragen – warum? –
Füße mit Schwimmhäuten.
Soll das bedeuten:
ein body pilotic beim Artensprung?

Schaut sich da Blut nach was Nochbessrem um?
Von vorn bis zum Hintern verbreiten
so weiße Monaden sich, gleiten
im einstmals reinen Zusammenhang rum.

Gase entweichen,
nichts seinesgleichen
lag je hier im Garten.

Ein Vogel aus wimmelnden Fischen?
Ein Landtier inzwischen?
Ich hole den Spaten.








Lesung des Sonetts auf YouTube


XXIV


In einem Wassertropfen, an den von Außen kein
Draußen als die Nase dran
Plattdrückbares erscheint, hat man
aus der unendlichen Zahl der scheinbar nicht mehr durch ein

Entlein teilbaren Elementarteile einige
auf minimaler O-Bahn
allerhöchst beschleunigt ­– dann
knallten auf der kleinsten aller Milchbahnen zwei

scheinunteilbare Teile grundfürchterlich zusammen wie
schnäbelnd und zugleich geweihzusammenrammend. Sie
gewitterten ein bißchen im Guckkasten-Kosmos von Marx

qua Barks. Aber man konnte natürlich nichts sehen,
sondern in allem Quietscher-Un-Entlichen allenfalls verstehen
die Äquivalente vielleicht dreier kläglicher Quarks.

XXV

Die Lügen des Rheumatismus in der Leere des
Hühnerstalls: Tageshelle,
gelenkpfannenknarrende Einzelfälle
von Unruhe: vergangenes Suppenhuhnenes…

Die Fliegen des Transistorradios während des
alten Fuchses Jagger-Gebelle,
im Stall, das trockene Hühnerkotvolle,
es bleibt der Helle zu Fressendes.

Zahnlos rieselt der Schnee: Be-
friedigung. Die Radiobatterie
wird 70. Stirbt auf der Hühnerbühne.

Draußen, das Motorrad im Unterstand,
das Hühner nie fuhren, die Manager der Band:
Hühnerstall-Engel auf beschissener Maschine.








Lesung des Sonetts auf YouTube


XXVI

Was könntest Du, der Größte
des eigleichen Andersseins, dem Kuß-
geräusch entnommen haben, als die Guß-
form des Anderen sich von dir löste?

Dem kurzen Saugen, als das Allerhöchste,
das All-ums-Eine dich zum Schluß
entließ, der ganze Überdruß,
weil sich dein Anderssein nicht löste?

Du federleichter Schulterer hoch drei,
nun bist du frei.
Es gibt kein Rückwärts mehr ins Andere.

Du bist nun fremd,
ein heimliches, flanierendes Moment,
so anders, daß nur eins hilft: ändere!


XXVII

Der Sekundenzeiger der Uhr an der Wand.
Dieser verstörte Hund, an den Pflock geleint.
Alle verschwunden, wie es scheint.
Das Haus ist niedergebrannt,

bis auf den Meeresgrund.
Ein schwarzer Schild. Es glimmt
was auf und brennt und verschwimmt.
Hektik im tiefen Radarschirmrund.

Von hier aus scheint die Bewegung
regelhaft. Getaktete Erregung,
abgetrennt vom Grund.

Zerfälle und Abstraktionen. Wohnzimmerbefund.
Es dreht sich eine lange Weile im kleinen Abendland
der Sekundenzeiger der Uhr an der Wand.


XXVIII


Nach der Geschichte, die Reste. Verpackungen.
Zerläufe von Tusche. Made in... Die
Hörrohre eisiger Luft, sie
lauschen den Eierschalen, den eckigen Stücken.

Berge, in denen das riesige Vorrücken
von Fußstapfen widerhallt wie
Echos einer Toten-Kompanie:
Gegnicker eines Taubblinden auf Krücken.

Schuttfelder und die stillen Beziehungen
des Herumliegenden: Überdehnungen.
Zerläufe von Wimperntusche. Überall

aufgebrochene Augen. Sturmschritte um die
gnickernde, blinde, krückengestützte Mitte.
Echoland. Über-All – Überfall – Über-All.

XXIX


Ich träume, also bin ich – dreh mich um.
Wer bin ich, wenn nicht Teil in einem Speicher,
gespeichert – und der Speicherer ist reicher
als der Gespeicherte: wie dumm.

Ich träume und im Traum dreh ich das um:
Der Speicherer wird Stück für Stück mir gleicher
und Stück für Stück gespeicherter und bleicher.
Dann reißt der Traum. Ich wache auf. Wie dumm.

Wie bleich ich bin. Wie triste das Drumrum.
Wie wach bin ich? Wie miterwacht und stumm
die Mitternacht drumrum? Ist das nun Strafe?

Ist niemand da? Der dichtgepackte Raum
nur Speicherei des Speicherers? Der Traum,
was mag er zeigen, wenn ich weiterschlafe?









XXX

Wir fühlen die Züge der Düfte im Kreuz-Schacht:
das Schleichen im Boden, im Einbaum mit Vierung;
in Querhaus und Langhaus distanter Tor-Türung;
wir höhlen und schwärzen die Holzwand mit Brandnacht.

Wir spüren im Durchgang, daß draußen sich aufmacht,
was drinnen in heimlicher, dunkler Durchquerung
und rauchgleich, nach kunstvoller Wind-Dirigierung,
in Stoffen zusammenfällt, flieht, sich vervielfacht.

Die Mitte der Vierung, die schwarze Verführung,
die Züge von Venusberg-Fliegen-Zentrierung
an Rosen von blendweißer Aschewurf-Dauer;

sind Teller und Totpunkt und Quellen von Luft,
ein wimmelndes Opfer im Kreuzpunkt der Gruft:
ein Tierleib süß-sau-katalytischer Schauer.


XXXI


Wo man hinschaut, nichts als Gegend,
Bananen hält sie hoch, vielleicht.
Du nahst dich rasend, und sie weicht
zurück, bedächtig, eierlegend.

Weiß Geflecktes, Blau umliegend:
ein Blau, das in die Tiefe reicht,
und den, der dessen Schiffswand streicht
auf Abstand hält – ihm Händchen gebend.

Wo man hinschaut zeigen Pixel
Weite, Größe, Nichtsgetricksel:
Nirgends wiegt sich Pulverdampf.

Hoch im Blauen: Wolkenzüge,
großer Bahnhof, Blick und Lüge.
Tief im Kleinen liegt Mein Kampf.


XXXII

Herzköniginnenfarkt. Schnellerdur-
ammler. Ich weiß nicht, wer soll es
debeuteln, unruh ich volles
Programm: nur Balder: Kängur!

Pfotentote auf der Taschen-Tour,
Ichmus! Ichmus! Nur kleines
Trampln, Erdbefederbären, helles
Bierinnen Carninchen-Darfur.

Unruh ich nur, schreit
halsschnittartig Keinezeit, die
Omacht, Muttertür, Feuerfrei!

Asshologramm in einem anderen
Weißnicht. Fake die Königin! Doch
über allen Gipfeltreffern was der Durchfall ist.


XXXIII

Friedliche Rose, wirst mich totmachen.
Leersaugen wirst du mich. Ich werde
unter dir liegen, in Friedhofserde,
Rosenferkel sattzumachen:

ich tote Rosensau den kleinen Rachen
tiefer Wurzelsauggebärde.
Du bist geduldig, Rose: Rosenmorde
sind Wartesachen.

Dein Kumpel die Distel,
dein Kumpel die Mistel
sind harmloser als du.

Zartrosa bist du. Gott: Rose,
Scheinwaffenlose,
Blut ist im Schuh.








Lesung des Sonetts auf YouTube


XXXIV

Auschwitz ist eine Photoplatte. Immer wieder belichtbar.
Immer wieder mißverstanden wird diese Aussage werden. Wie:
Entenhausen ist Auschwitz. Sie werden durchs Tor gehen. Sie
werden heraustreten. Wieder und wieder unfaßbar.

Auschwitz ist eine Fotoplatte. Du sollst dir kein Bild machen. Er-
greift diese Platte wieder und wieder ein solches Bild. Sie
zeigt die schönsten Bilder. Die schrecklichsten zeigt sie nie.
Das Stehenbleiben seit der ersten Belichtung. Sie zeigt es weiter.

Das Stehenbleibenlernen. Das Weitergehen aus Hüllen.
Das Steckenbleiben im Festgehaltenen. Das Brüllen
der Tiere in viel zu engen Menschenhäuten.

Gefängniszellenteilen. Das Löschen der Lichter in
silberbildenden Nicht-mal-Bildern der Auf-Bilder-Richter.
Am Ende. Wenn die Farben in die Toten gleiten.


© Thomas Krüger, Juli 2009 - Juni 2010

Mittwoch, 1. Juli 2009


Ansicht eines Werbeplakats der ZEIT auf der
Fahrt von Köln nach Berlin. Dabei an
Navid Kermani denkend, nach Lektüre eines
Artikels von Necla Kelek in der WELT


Lieber Dr. K. – ich sah im Bahnhof Hagen
die Marylin. Sie las ein Buch: ergriffen.
Ulysses! Auf Plakat. Ich hab gepfiffen.
Die Lok fuhr an. Es blieben Fragen, Fragen:

Die Schöne wirbt jetzt für die neue ZEIT?
Korrekt, korrekt. Hat ihr wohl Arthur Miller
den Wälzer aufgeschwatzt? Der Freudenkiller?
Meint Blickfang-Sein hier nicht auch Fickbarkeit?

Was liest du im Bikini, Mädchen? Sprich!
Das grenzt ja fast an oben ohne, oder?
Und das, wo doch die ZEIT so auf Moder-

ne macht und Aufklärung, Vernunft. Hier nich?
Ist sie im Glauben an die Sinne festgezurrt?
Ich glaub dann mal an Jungfrauengeburt.

© Thomas Krüger, Juli 2009

Follower