Samstag, 12. Dezember 2009


Peace

Vogelhintern, zwei, drei, oben, oben, vier
in trister Dauernieselgreulichkeit dort über
Schloten, wo wohl Himmel steht, nur trüber.
Löchlein, zwei drei vier, die hin und her

die hohe Luft ausloten: Teufelstier
mal zwei, drei, vier: Ihr-könnt-uns-Flieger…
am unsichtbaren Löchlein…, Routenbieger,
ihr kurskorrekten Pilgerzügler ihr.

Das liederlich quadrierte Selbst, es zielt
erratisch, wie von Schüssen knapp verfehlt,
ins Gleichgescharte, graubetrübte Klare.

Die Schüsse, die dort oben scheinbar scheuchen,
sie fallen hier, im geistigen Am-Boden-Kreuchen:
dem ihr was scheißt – ins Gute, Schöne, Wahre.

© Thomas Krüger, Dezember 2009







 Lesung des Sonetts auf YouTube

Sonntag, 22. November 2009


Duales System // Armer Poet

Ceci n'est pas une pipe


Braun an der post–it–gelben Rauhfasertapetenschlafzimmerwand, ein
Steckdosengrenzübergang. Eine Steckdose, Steckdose. Eine
braune Steckdose im Schlafzimmerhosenbeine. Da unten,
rechts vom rechten Bettrand steht der himmelblaue
Wäschekorb zum Drüberfallen halb, das erste
Nebendosen–Sein. Ich schlafe nicht vom Kopf ab–
wärts, schaue die Steckdose, braune Steckdose, mitten im 24–
Bilder–vollgestellten, abgestillten Zimmerwinkel, pro Sekunde
23 Male, lotrecht fallend, in Bettkastennähe hinterm im
Wäschekorbrand verschwindenden zahnpasta-titanweißen Kabel;
weiß der Kabelfall, stramm des Steckers Weiß in
brauner Steckdose, Steckdose, Steckdose, je
länger mir still der zahnpasta-titanweißen stramm–
steckenden Gumminase freien Kabelfalles Gartenbild, ein
1000er–Puzzle besteht, 1:22 bis 1:67 überm Teppichboden, die weihnachtsdeko–
vollgestellte Fensterbank am Fuß des Wäscheschrank–, des Medi–
zinkorbschlagreflexes schwach im Fensterglas vor dieser
lidschlagbraunen Jalousie, der Widerschein, der
Bügelbrettbug links, die Einsamkeit des Dübellochs, die
Kerzenstummel, Spitzerbüchsen, Christbaum–
munition in grauen Schachteln, Fäden, Puppenholz;
verbunden vom Bettlakenfaltenwurf zu den
Rippen des Radiators zur Fußleiste senkt der
Raum den grauen Schal, die
Steckdose das zahnpasta-titanweiße Kabel, bis
hinter die Wäschekorb–Bett–
kanten–Drüberfalle.
Alles zusammen.
Immer ist alles zusammen.
Doch eins, ein einziges von
24 Bildern je ist braune
Steckdose nur und sonst
nichts, kein
Stecker, Kabel, sonst
besteht da, blaßt und
fällt, sonst
steckt da, fällt da,
scheint da gar nichts.
Ist da Steckdose
nur.

© Thomas Krüger, November 2009

Freitag, 4. September 2009


Ein Schlachtschiff im Oktober

Was trieb Dich Unthier zu der langen Reise;
Macht dich Amerika nicht satt?


Unter des Oktobers Kartoffelkäferpenistiefgang bremste die glänzende Kielfläche des USS-Colorado-Straßenbelags zum Eichhölzchen 7 und kommt nicht zur Ruh. Und unter des Oktobers blauen Bändern drehen sich Larven, locken die goldenen, wärmenden, die pädophilen Fingerspitzen zu den Straßenseiten, hinter die Vorgärten, hinter die Blumenbeete, hinter die beschatteten Fassaden; vom Schwert, d.h. vom Kartoffelkäferpenisgrundriß, d.h. von den Aufbauten unter der Straßendecke heraufgespiegelt aus den steilen, spitzdachähnlichen Hälften von Dürers betenden Händen, den Schwertern zu Schloten, zu Mastspitzen, zu Fingerspitzen, entgegen der Wünschelruten-Tauchrichtung und ab durch die Hecken nach links und nach rechts, hinein in das traute Heim. Es grüßen von allerlei Nachbarschaftsfensterbänken aus allen guten Stuben Flaktürme in Blumentöpfen; und von hinten, von hinter den Gardinen machten die Häuschen am linken, am rechten Bordrand aufeinander nebeneinander am umgekehrten Schlachtschiffrumpf sich fest. Sie schwappen verankert an blauen Bändern in „Di-Di-Di – Da – Da – Da“ – sie wuchsen aus des Taufbeckens penisberührtem Grund zu den Bäumen hinauf in die Äpfel- und Birnengärten. Da sitzt, da hängt das nach Mädchenart zu Verdichtende ungepflückt und dröhnt wie grünes Obst und läßt dort flattern die Stumpfhosen links und rechts und über der aufbautenaufgewühlten Grabestiefe des glänzenden Kielstreifens, neben der unsichtbaren, unsinkbaren Schneckenschleimbremsspur des umgekippten Schlachtschiffrumpfes zum Eich-hölzchen 7, da wummert der Diesel in diesem grellen wie unsichtbaren Mündungs-Feuerkopf, da walkt ein überfaust-II-großes, hinter den Häuschen stehendes Zementmischerding, das gigantische Bildermischer-Schollenwender-Sportlerherz der die lieblichen Mädchenblicke fallenden Herbstlaubs unter die klare Mittags-Gesamtsuppe mischenden Schiffsmaschine zur Mitte der Welt, und still und stumm düst ein Postbotenjungspund von Haus zu Haus und stopft seine Postrohre in allerlei kleine und große Kanonenloch-Kastenkuckucks-Uhrenklappen und schießt bald hierhin, bald dorthin. Sie alle, die hinter den Wänden in „Di-Di-Di – Da – Da – Da“ auf- und abgehen, dümpeln und warten: sie alle benutzen sein Fahrad und sitzen bei Tisch und allesamt rauchen sie Pfeife da draußen. Sie sitzen in stiller Stube, da draußen, auf Graten und Sprüngen, Terrassen, auf Treppenstufen. Die gartenmilden, kleinen, flimmernden spinnennetzfrontseitigen Häuschen im Eichhölzchen mit ihren Herbstblumen am Holzgitter, ihren Kanonen¬röhrchen in Kübeln, im Aufbauten-Gepuzzle hinfort vom alles begründenden, begrünenden Schwert zu den flügelschlagenden Wandfarben, dem dürftigen Rauputz, den groben Signalflaggen, den Schloten, den Wolken, hinauf in den schützenden Schiffsglocken-Totenkopf-Glaskugelhimmel...: Ein Tunnelblick durch und durch. Und falls dann ein Männleinweiblein mit strickmusternden Fußtritten leise, ganz leise aus einem der Waldrückenstücke der aufbauten¬angepassten Häuschen hinaus in die tiefe Straße tritt, stürzt eine irrsinnig abgefeuerte Libelle den Himmel entlang. Dann taumeln die Schmetterlinge, dann ziehen sie Rauchspuren, dann hängt der rötliche Sonne-Mond, ein Luftballon, ersoffen im Mastbaum unter dem Wasserstraßenbelag. Und wenn dann sämtliche samt- und sonderlichen Männleinweiblein wie auf Kommando zur Arbeit gehen, die Glastüren öffnend, sie krachend ins Schloss fallen lassen, so daß sie mitsamt dem schwarzweißen Glasknochen-Himmel zerspringen, dann fallen die Vögel zu Boden, in sämtlichen Phalanxanlagen der Fensterchen blitzen die Flakfeuer-Zungen¬spitzen, die haribobunten Azaleen-, die Orchideen-, die Begonienköpfchen. Dann heißt es: bis später, bis heute abend, bis dann. Die Mädchen sind weiterhin angepeilt und unreif und warten in den Bäume-Birnen-Äpfeln ganz still, bis Papamama und Mamapapa wieder mit blutigen, d.h. mit nassen Haaren aus der Straße steigen, durch die kleinen Käfernachfolger am Straßenrand und fortfahren und heimkehren.

© Thomas Krüger, September 2009

Donnerstag, 27. August 2009


Der heißeste Tag des Jahres

Von wo die Kriege erklärt werden: Plural – Singular. Ich
stehe in Vatis Diamotiv-Perspektive: stehe
in meinem Mann. Die Siedlung, Abendstimmung, Sonnensenkung:
schnitzend unter dem Über-Allem, Vogelstimmen-Schnitze
verteilend über dem weißen Häuslein: nach-waterbording-
friedvoll im würzigen Brandgeruch seiner Kinderspielzeug-
Storys, das feuchtdicke Häuslein mit wimmelndem Schwimmring lieb-
gewonnener Beetepfleger und Latexhandschuhträger.
Wo sind sie? Wo sind die lieben Sorgenden und Käfer von
Kinderpenissen pflückenden thermometerpflanzenden
Gravitäten nur hin? Das kleine Schleimhaut-Reissen, -Zischeln,
Schleiertanzen. Flammen lecken wie junge Hunde
nackte Füße, das kleine Welpenläuten. Gras über den
Nachbarn, die Lachenden. Gut wie das tut, das Über-den-Zaun-
ins-Nachbarschaftliche-Reinkotzen-Rauskotzen: ich und du.
Du Vier, fünf, sechs am Lager, Kartoffelsalat, die Kämpfer
wie Frosch und Fliege gefüllt sich haben – sie haben gefüllt
aus Erdenlöchern, aus denen das Gas ihrer heimlichen
immerwährenden, tiefirdischen und proto-tötenden
Bewegungen strömt, Mutti und Vati und, Schwesterherz, dein
neuer Freund. Die Würstchen auf dem Grill. Er hält dein kühles Bier.

© Thomas Krüger, August 2009

Dienstag, 4. August 2009


4. August 2009

Diese glanzbemoosten Dunkelheiten: Pferde von
39 Grad / in ihren 11 Grad m-
ehr als die na-
chglühende Sch-
wüle am Abend des 85-
01. Tschernobyl, an dem die schöne Fr-
au in ihrem Bratwu-
rstduft die Pferde mit ihren turmbest-
eigenden Köpfen bet-
rachtet. Diese t-
otens-
chönen Pf-
erde in diesem Atem. Diese ind-
irekt grasfressende, nachg-
lühende Frau. Di-
ese Schu-
tzanzüge überall mi-
t ihren Pflanzen i-
nnen, Disteln, N-
esseln, de-
r Sichelluzerne in gie-
rgew-
ittrigen Bäumen, schwerblättrigen Ästen über den Wegriß zur Pf-
erdeweidenfrontlinie in die glanzbemoosten Dunkelh-
eiten greifend. Das Unw-
etter im fau-
stgroßen Tote-
nmau-
sleib am Zaunpf-
ahl i-
n e-
i-
ne-
r Tr-
akt-
o-
rspur: schon w-
eitergezogen: Schnauben, die rötlichen Frauenaugen s-
piegeln ein Bl-
itzen im Bl-
ut in den Pferdehe-
rzbrennk-
ammern auf dieser W-
eide bei B-
abelsberg / Berl-
in / Deu-
tschlan-
d.

© Thomas Krüger, August 2009

Freitag, 31. Juli 2009


Grüne Birnen

Grünes Birnchen-Gebirne: quietschende Tachykardie. Die Oma
war eine Baronin. Ich lutsche Zitrone. Sah sie am Morgen im
Mantelmorgen im Lärchenmantel-Nadel-Adel: mülleimer-
große Soldatenstiefel mit Nachtigallen beim Ersticken drinne, Stücker
zweie. Kleine Schritte, 2 x Stille. Nadelfallen. Geblieben ist das
Urbild von allem Manteln: Weltalk. Meine Oma. Ein dürrer Stamm
und dürrere Äste, dürrste Zweige, Fingernägel, Vogelkrallen von
grünem Birnchen-Gebirne voll und Nachtigallen in meiner Pumpe,
verkehrtherum fliegen sie, flattern wie blöde. Das Blut ist im Schuh
am Stiefel – Osmose, das Hosenbein nackt zu sein. Oma verlor
wie blöde – ein herrlicher Flammenmantel brannte und ihre Füße
mit toten Vögeln drinne: Mülleimer – Heroic-She-Male-Stiefel. Mit
gelben Signallampen voll der Straßenbaum am grünen Wesen. Havelland-
straße am Nachmittag. Männer-des-Gartenbauamtes-Orangen bringen sie,
überall bringen sie Birnen an, ziehn aus Zerbirntem Birnung wie Oma, die
irgendwie weißaarig: Schneefall. Ostfrontiger Frauen-Frostpelz. Mit
gelben Birnen vollgekotzt Rapunzel: schneidirmaldiehaare…

© Thomas Krüger, Juli 2009

Samstag, 4. Juli 2009


Das Sandsack-Syndrom

…we may confidently come to the conclusion that the forces which
slowly and by little starts uplift continents and those which at successive
periods pour forth volcanic matter from open orifices are the same.

Charles Darwin: The Voyage of H.M.S. Beagle

Infolge spontanmutativer Veränderungen verbunden mit unbekannten, unerkannten, unvorhergesehenen Kettenreaktionen im Zellstoffwechsel von Männern verwandelte sich das Corpus Cavernosum sämtlicher erektionsfähiger Penisse in eine Art Sandsack mit kräftigem Bananenstutzenansatz am Sitzbein und stand bei Erregung meterhoch aufgerichtet, breit wie ein Eichenstamm, die Eichel auf Kopfhöhe, der prall geschwollene Sack im Winkel von ca. 40 Grad nach vorne geneigt, auf Armlänge vom Restkörper ab; und während die meisten Männer bereits in der ersten Befüllungphase der übergroßen Schwellkörper vornüber zu Boden gingen und an Blutleere, d.h. an einseitiger Blutverteilung starben, zeigte ein halbes Promille der Betroffenen den seltenen Anpassungscharme des widerstandsfähig Maskulinen: Zunahme der Blutmenge bei vaskulärem Ausgleich, Y-Winkelung mit dynamischer Balancestellung von Oberkörper und Schwellkörper; geschlossenen Erregungskreislauf, gestützt durch den mächtigen Blutdruckunterschied zwischen Kopf und Eichel quasi als Minus- und Pluspol mit ausgleichenden Boxhieben: sie konnten nicht anders, mußten sich entladen mit schnellen Schlägen wie faustgroßen Elektronen, die, gegen den Eichelrand prasselnd, den empfindlichsten Teil des Schwellkörper-Sandsacks bearbeiteten, bis dieser nach 4 oder 5 genauen Treffern auf freie Nervenendigungen und Meissner-Körperchen ein inneres Feuerwerk zündete, die innere Rakete starten ließ und Ejakulat wie die Atemfontäne über blasendem Pottwal, wie sprudelndes, weißliches Öl überm Bohrloch aufblühte: hinaufgespuckt, schillernd im Licht: der Kopfschmuck von Zirkuspferden, ein Eimer voll Sperma – der Tod infolge von Flüssigkeitsverlust bar jeder Vernunft: er raffte die Mehrheit der Sinkenden, nach gezündeten Lenden Schwächelnden dahin; der Rest wurde gepflegt, von stillen Schwestern, Matronen der Unterwelt, sigunischen, leidenden Heldinnen: Frauen voller Opferbereitschaft und Stille im Zentrum ihres Mauerblumenwesens: die Männer wurden gepflegt mit Trank und Minne und violinenen Liedern bis zur Wiederauferstehung vom KO. Dann aber regten sie sich erneut, erregten sich, tänzelten: die lebensfähigen Männer, ihren schwerfälligen Tanz mit sich selbst, ihren Kampf, ihren Spannungsbogen von steigender Erregung zu faustischem Hagel zu Klimax und völligem Darniederliegen. Wieder und wieder. Sie tanzten und boxten und sanken. Wenn sie nicht gestorben sind, kommen sie da auch nicht raus.

© Thomas Krüger, Juli 2009

Freitag, 3. Juli 2009

Sonette an Donald Duck

ein unvollendetes Projekt


I


Tischlein deck dich, Tischlein deck dich.
Tischlein, laß die Innereien
nach erstickten Todesschreien
dampfen, duften: Tischlein, duck dich,

duck dich unter haute cuisinnlich
applizierten Spezereien;
unter Leichen, schädelfreien,
denen Hämatome prächtig

Farbe leihen. Laß die Schwenker
bunter Lätzchen, Tischlein-Denker,
satt in Traumen Träume lesen.

Zeige blaubeerrot Substanz,
halb geronnen, Knüppeltanz-
Gerichtetes, wo Kopf gewesen.








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II

Heißluftballon über Leverkusen: Häuser brennen,
Fernsehgeräte und –wälder, –stoppelfelder.
Brennende Sender, lauter als Feuermelder,
gellen um Hilfe. Und Ghostbuster brennen,

Zimmerbüsche und Traumfabriken brennen,
Stoffgiraffen... Am Abend legt sich goldgelber
Dämmer auf den letzten Lärm tosender Bilder:
Guckende Geduckte lassen sich weiterbrennen.

Der Heißluftballon steht still und leuchtet zum Feier-
abend dann und wann den Schloten bei Bayer:
ein friedlich sinnendes Ungeheuer von Lanxess.

Weißer Riese, bringe das Feuer, Flammenfinder,
im Lampionhintern. Brenne für Kinder,
die Dich verloren, so scheint es, your Highness.








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III

Am Autobahnrand, wo das Rasen des
Messers unglaubliche Schärfe ist, fegt
der Wind durch vergilbte Seiten, regt
der Fahrtwind, sein pulsweises Blasen, des

kleinen Wesens Zorn: ein grob zerlesenes
gelbes Basis-Buch, politisch bewegt
zum tristen Ort, wo kaum noch was geht,
nur Seiten–wie–Fäuste–Erhebendes.

Das Elend der Welt: keiner und jeder
hört das Hundegebell, sieht die Federn
gerissener Tiere. Jenseits der Bahn

scheint jeder seines Nächsten Onkel Sam.
Diesseits irren die irrenden Diesseitigen…
und wetzen ihr Sehnen am Autobahnrand.


IV

Heide - Husum: bahnlahm, Verse knotend,
seh ich, plötzlich, epiphanisch, Schafe,
am Eiderufer Wollgeblitze, brave,
sattgedachte Findlingschafe, kotend.

Kein Hirtenköter nirgends: friedlich totend,
Bukolik, deren schlimmste Käuerstrafe,
Koliken, sich kaum aufmacht unter Schafe.
Doch unter diesen, danaoden brodelnd,

scheint eins im zweiten Geistesblitz beseelend -
das Schaf zu sein, das alles Schafsein... Elend!!
Der Schnellzug schlängelt weiter Richtung Küste,

das emanate Weiß wird hinterhügelt...
Gedanken, daß es Schaf mit Wut beflügelt,
umschlingen mich. Wenn ich nur weiterwüsste!



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V

Gräser, niedergedrückt, wovon auch immer.
Weizenfelder mit eingetrichterten Schneisen.
Hänsel-und-Gretel-Hände verstreuten Hinweise,
konzentrisch subtil. Es wird wohl schlimmer.

Spurenverdichtung und dann: Trümmer,
Holzsplitter, Federn in blutigen Kornkreisen;
laute Nebensächlichkeiten bis an das leise,
abkehrumzäunte Zentrum der Trümmer.

Sie haben da Ruhe - in den Augen des Sturms.
Sie sagen: sie haben des Wachturms
Schutz - und sie schweigen, mit seiner Größe.

Denn dort ist dort und hier ist hier: sie sagen
niemand von ihnen würde es wagen…
im Gewitter der Zäune… in blitzender Blöße...


VI

Möwen schweben. Luft an blauen Zitzen. Klein ein Schiff,
ein Leichtöltanker. Wolkenlämmchen, schönverloren.
Fleisch rot-weiß liegt schwebend, schaumgeboren
im weißen Feinstaubsand, den Äol schliff.

Ein Engel könnte auch nach Hundepfeifenpfiff
nicht landen hier. In allem Strandrumoren
ist soviel Schweben, Fliegen: Ballgepfiff um Ohren
und Plastiktütentreiben Richtung Kliff.

Doch abends, wenn ein Schwimmer abgetrieben,
gesunken ist, so gegen sechs, halb sieben,
kommt unvermutet doch ein Engel nieder.

Dann bleibt am Boden Kot nach Sandbetölung,
rot-buntes Volk begafft die letzte Meeres-Ölung,
und Gischt geht durch ein mächtiges Gefieder.


VII


Jesus! He came down, as if from heaven, quacking: “Bon Giorno!”
Funny guy – Ha! Ha! Ha! – und das Bild auf dem Fallschirm? Ich meine,
darunter, der Gehängte, die gestiefelten Beine, und
darüber aufgespannt die helmtragende Rache für Adorno?

Right in the Fuehrer’s face – Ha! Ha! Ha! – like an A-bomb, or no:
like an Angel with orange feet: alle Engel ssind peinelik?
Nein: schrecklich. That‘s it – Heinrik Heine?
Nein: Rilke. Another witty German – like Adorno.

O’ that sunny smile: Shall I compare thee to a D-Day-Zirkusheld?
You remember the scene in Dumbo when the big top… das Zelt?
Exactly – zussammenfällt: Doitschland wir webbern dein Leichentuch…

Heine? Right! – Und dann und wann ein weißer Elefant.
Rilke – And the Germans where dann und wann ohne Verstand.
Elefants in Knobelbechern – Right. Aber jetzt ist alles gut.


VIII

Schnüre im großen Mitein-All
Gewürme, wie chromatinene DNA,
was verkett-, verkabel-, verbänderbar
verzweit sich im Angeschnall:

dein Ander: ein Dauer-Zusammenprall,
Immer-Unnahbar,
alle sind Maximalpaar,
ständiges Zwei-sind-ein-Gegenfall,

alles ist Un-Duo-tum.
Raumspaziergang: doppelter Irrtum.
Keiner ist Schiff: das ist immer

der jeweils andere Schwimmer,
Flieger, Taumler im Bola-Duett
von ganz Ohne – ganz Mit.


IX

Kopf und Füße außerhalb ihrer selbst. Dynamik.
Kalte Knie in lauter Blaue-Flecken-Dunkel.
Die Nacht aus allen Ecken: Becken-Geschunkel
und dunkler Schwindelkram, Triumphkeramik.

Ein Tanz von Mitten. Härteste Umschenkelschwanik.
Urethralsignale. Zerebraler Funkel.
Fixier-verwirrendes Verfütter-Dunkel.
Die-frühe-Milch-von-Hitchcock-Pelikanik.

Die Nacht: ein Wille aus kaltem weißem Flaum,
Schlangenhals und Schüssel, Partner im Traum,
umstolpertes Zeugs nach Komasaufen.

Du wachst dann auf und denkst, der Tag ist wieder
dein weißes Podest. Du läßt dich nieder,
mit Kopf und Füßen darin einzuschlafen.


X

Also nochmal: Urknall, Schrotstücke,
kurze Distanz, zerfetzender Durchschuß,
ein Klumpen Vogelschiß –
Klatsch! – An die Rampe der Eisenbahnbrücke.

Hartes Geficke.
Hagel-Kuß.
Ein spritziger Schluß.
Wie jeder der Abdrücke.

Das Bunte in der eingeweideroten
schönen Bildwelt. Noten,
Graffity-Tupfer im Zugverkehr-

wandzeitungsbogen. Schießend weiterjagen.
Schauer, durch Federn gefahren.
Hinomaru mit Flare.


XI

An Zimmern – kein Mangel.
Rechts, nein, nicht so weit, links,
ein Stück nach rechts, wieder links,
stop! Ihr... Engel?

in eurem Gedrängel?
Viereckige Welten ins
nirgends gefenstert, ins
Von-Fenster-zu-Fenster-Hangeln,

von Panel zu Panel, draußen,
hier, wir Weltaußen.
Von wo aber lenkt man?

Der Arm, aus dem Bild heraus,
Gefallenen zu? Ins Weltaus?
Ein Schlüsselbild, denkt man.


XII

Ich bin nicht die, die... tja – nun ratet mal, ihr Krücken:
Ein Körper Transplantate von plan-tranchierten Tätern,
untoten Potentaten mit Drang, sich zu verspätern
im Gurte meines Leibs – dem Trug aus freien Stücken:

der Morgenbartlosblick mimt Killerbild-Entzücken,
des Mittags Blutvergießen dient liebesbuntem Zetern,
dem Abendflammenraffen die Austrittskraft von Tretern,
den Nächten Umgelegter ein telegener Rücken.

Kapiert ihr, wie sie ticken? Die zahnlos wie Infanten
so reißwolfgleichen Killer: sie stillen euch von hinten.
Und ich bin ihre Geisel? Ihr kollektives Kind?

Sie lassen mich bestaunen. Sie lassen ihre Launen,
geschickt versteckt in Federn, quäken anstatt raunen.
Ich lebe, lausche leisem: der Süße da, er spinnt...


XIII

I think continually of those who are truly great…
z. B. die Boeing 747 Rheinland-Pfalz,
das stolz geschwollen leichtmetallene Gebalz
von grade abgehoben bauchbetontem Fluggerät.

Ich sehe dessen große weiße Attraktivität
noch weiter aufgebläht, sobald des Greifen Fahrgestells-
bereifung eingefahren mit dem Leib verschmolz.
Wie kühn, dem solche hodenlose Größe steht!

Und dieses neckisch blaue Mützchen auf dem Heck,
dem knackigen Beschluß der Schiebung: keck!
Wie wuchs aus anaboler Blöße solch ein Aerobus?

Und welches Ei entließ den Korpus, der zur Sonne eilt,
der hoch im Laich ein Weilchen Streifenmilch verteilt?
Was hüllst du ein, du Kranich eines Ibykus?








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XIV


Ich habe es nun – ach! – verstanden, Vieh:
du hast mir Schwäche vorgegaukelt,
mich hat dein Watschelgang verschaukelt,
dein starrer Blick verstrahlte Apathie.

Du warst die Pose, ich die Idiotie:
Der Schwanensang, daß nichts dein Aug hält,
in deiner ach so enggefaßten Schauwelt,
verlockte meine West-Philosophie,

die du in ihren habermaßschen Gutmensch-Fragen
in deine Westentasche stecktest sozusagen.
Dein Blick war ja nur müd geworden, weil er

im Diesseits, hinter trügerischen Gittern,
allein auf Typen fiel, die hirnlos twittern
und dumpf und untot defilieren: leider.





 

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XV

Ab morgen früh besteht der Himmel
aus Werbeflächen, groß wie dieser,
nur farbiger und inhaltsmieser.
Ab morgen recket euch wie Pimmel

nach hohem Wort-und-Bild-Gewimmel,
Verkündigungen marktpräziser
Banner, Botschaften und Teaser.
Ab morgen steht hier etwa Camel

in high-tech-sirrendem Azur
mit Großraumflieger–Schlüpfstruktur -
so meilenweit und farbenfett.

Ab morgen wirkt es schon verwüstelt,
daß ihr den Bildern bald was hüstelt:
doch last ihr alle dies Sonett.


XVI

Sehr viel größer als eine Feder durch deine
schmale Brust nicht sinken, den
Fallschirm zu Boden lenken, den
Kopf aus seinen Wolken nicht lösen können, eine

lange Reise durchs rasselnd einge-
atmet feine Zwitschern, Singen: dehnt
der Flug, der keiner ist, den
Flug auf dünnste Schilfrohr-Beine.

Torso von Fallschirmsprung: bedecke ihn, laß
Dauerregen den Wolkendunst, das
Wasser nie erreichen;

Knabe, Fliegender und Fallender:
setze den Feder-Fallen der
Teiche, deinen Wiesen kein Zeichen.


XVII


Blaue Ente braucht Nistplatz. Überall Wasser:
Nord-Ost-Süd-West. Bethlehemische Situation.
Blaue Ente in einer Seenot-Suchaktion
bloß Wasserweib-Knie und –Schulter. Überall Wasser.

Nistplatz? Wohnplatz? Entscheidung. Überall Wasser.
Nicht lustig für blaue Ente. Doch wenigstens Wohn-
und Nistplatz. Wer hat das schon?
Blaue Ente baut Nest auf Knie. Überall Wasser.

Blaue Ente füllt Knie-Nest. 7 Eier.
6 goldene, 1 eisernes. 7 Eier.
Blaue Ente schneller Brüter. Knie wird heiß.

Wasserweib-Beben. Gold-Eier kaputt.
Welt aus blauer Enten Gold-Eier-Schutt
mit Kern aus Eisen. Was das heißt? Wer weiß.

XVIII

N Kinosessel: verbunden im Blockbusterdämmer
von Spätfilm-Massentod durch weiche Fragezeichen
von Menschen, die vorausgebeugt auf leuchtend bleichen
Laptops Tiere hüten, Dokumentenlämmer;

die ihren Lämmerzustand pflegen, Tasten hämmern,
so daß sogar im schlimmsten Filmfall, fast wie Leichen,
die weißen Tiere nicht von ihren Seiten weichen.
Sie zucken nur in kleinen Bildschirm-Kammern.

Und N+1, das ist Balkon, ein Frontsitz, oben,
von wo die Lamb-Tops unten wie im Gegenfilm verwoben
verlichterketten, Schirm für Schirm,

daß plötzlich Wellen weißer Elemente
von Bild- zu Bildschirm ziehn: bedeutungslose Dokumente,
von N+1 aus wie ein Midgard-Wurm.


XIX

Wie schwer war der Gedanke, es sei die eine zurückgekehrte
Taube gewesen, die den Blick zu den Schornsteinen zog:
Ein Sprechblasenblümchen, ein blaues, in ihrem kleinen
Schnabel, flog sie, trug sie, vom Himmel herab, das himmelverzehrte

Ding aus Nichts, das Wolkengewölle, brachte das unerhörte
Winzige, von Räumen, verschlungenen Armen, Gebeinen
unmöglich Scheinende, das plötzlich zwischen den Steinen lag
im seltsam hellen Inneren der Häuser: das Himmelverzerrte…

Wir dunkelten darum herum. Es geht im Tageblau der Blues
von dieser aus dem Off gekehrten Taube, schwarz von Ruß.
Wir Häuser um den Schlund herum: die vielen Schlote;

Orte, Städte, Metropolen – schweigend stille Feuer.
Wir stehen ohne Worte um ein dunkles Ungeheuer,
das wo geblieben, woher kam und womit drohte?


XX


Alle Enten sind schrecklich. Und alle Hühner
sind nichts als des Schrecklichen Anfang.
Hühner sind Diesseits, doch Entenfang
dämmert über allen Hühner-

ställen wie ein stummer, ungestümer
Schrei nach Drüben: Heimgang,
Hühner- und Himmelsleiter-Abgang:
Alle Enten verlassen das Elend der Hühner,

entdecken Amerika oder die Länder der Sterne,
sind irgendwann Ferne,
durchstoßen die Ausdehnungsgrenzen

des ausdehnungsgrenzenlosen Universums: Kluge
Sternbild-Verwischer sind Enten. Im Fluge
sich gänzlich entfernendes Bürzel-Tänzeln.








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XXI

Liebt der Dukdalf-Campingtisch
auch mich? So wie ich ihn?
In dessen Mecalit ich, nach dem Aus-dem-Rasen-Ziehn
der dünnen Alu-Beine, stürmisch

mich verlor? Es war so frisch,
sie fror. Sie lag, nach mutualem Ausziehn,
weich und gänsehäutig, es geschehn
zu lassen, lecker da. Auf diesem Tisch,

auf dieser blassen Platte für das Not-
dürftigste: das, was zählt. Ich war so rot
und so erregt. Dann sank er plötzlich weg,

der Tisch, die Beine sackten in den Dreck.
Sie floh vom Tisch. Ich klappte ihn perplex
zusammen. Nahm ihn auf. Was ist schon Sex?








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XXII

Bächlein, Bächlein, wo die Füßlein Salto schlagen,
schön gefaltet? Weich und luftig, so ein Lauf von
Welt, darummen federen die Pilze: etwas hocke-
nicksen Pilzlein, töte durch dich durch sich

nehm Zürück, seh wachsen, wasser-
wiege-fließen. Bächlein, Bächlein: lies vom
Nil, so wie du fließt, ein nasser Sohle Hirnge-
Spinster, Vibratoren-Buschwindröslein. Höslein-

Runterschönchen. Fettes Blut und Schnäuzchen-
ylle. Leichenteil am Waldrand, Doktor-Titel,
weht noch, tut es etwas gut. Ein Brotstück

groß, dich grade zu verlaufen, Bächlein. Du.
Dort Scheusal um den Nagel durch die Hand du
scheues Rinnsal. Rehsel.


XXIII

Aus der besten der Welten ragen – warum? –
Füße mit Schwimmhäuten.
Soll das bedeuten:
ein body pilotic beim Artensprung?

Schaut sich da Blut nach was Nochbessrem um?
Von vorn bis zum Hintern verbreiten
so weiße Monaden sich, gleiten
im einstmals reinen Zusammenhang rum.

Gase entweichen,
nichts seinesgleichen
lag je hier im Garten.

Ein Vogel aus wimmelnden Fischen?
Ein Landtier inzwischen?
Ich hole den Spaten.








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XXIV


In einem Wassertropfen, an den von Außen kein
Draußen als die Nase dran
Plattdrückbares erscheint, hat man
aus der unendlichen Zahl der scheinbar nicht mehr durch ein

Entlein teilbaren Elementarteile einige
auf minimaler O-Bahn
allerhöchst beschleunigt ­– dann
knallten auf der kleinsten aller Milchbahnen zwei

scheinunteilbare Teile grundfürchterlich zusammen wie
schnäbelnd und zugleich geweihzusammenrammend. Sie
gewitterten ein bißchen im Guckkasten-Kosmos von Marx

qua Barks. Aber man konnte natürlich nichts sehen,
sondern in allem Quietscher-Un-Entlichen allenfalls verstehen
die Äquivalente vielleicht dreier kläglicher Quarks.

XXV

Die Lügen des Rheumatismus in der Leere des
Hühnerstalls: Tageshelle,
gelenkpfannenknarrende Einzelfälle
von Unruhe: vergangenes Suppenhuhnenes…

Die Fliegen des Transistorradios während des
alten Fuchses Jagger-Gebelle,
im Stall, das trockene Hühnerkotvolle,
es bleibt der Helle zu Fressendes.

Zahnlos rieselt der Schnee: Be-
friedigung. Die Radiobatterie
wird 70. Stirbt auf der Hühnerbühne.

Draußen, das Motorrad im Unterstand,
das Hühner nie fuhren, die Manager der Band:
Hühnerstall-Engel auf beschissener Maschine.








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XXVI

Was könntest Du, der Größte
des eigleichen Andersseins, dem Kuß-
geräusch entnommen haben, als die Guß-
form des Anderen sich von dir löste?

Dem kurzen Saugen, als das Allerhöchste,
das All-ums-Eine dich zum Schluß
entließ, der ganze Überdruß,
weil sich dein Anderssein nicht löste?

Du federleichter Schulterer hoch drei,
nun bist du frei.
Es gibt kein Rückwärts mehr ins Andere.

Du bist nun fremd,
ein heimliches, flanierendes Moment,
so anders, daß nur eins hilft: ändere!


XXVII

Der Sekundenzeiger der Uhr an der Wand.
Dieser verstörte Hund, an den Pflock geleint.
Alle verschwunden, wie es scheint.
Das Haus ist niedergebrannt,

bis auf den Meeresgrund.
Ein schwarzer Schild. Es glimmt
was auf und brennt und verschwimmt.
Hektik im tiefen Radarschirmrund.

Von hier aus scheint die Bewegung
regelhaft. Getaktete Erregung,
abgetrennt vom Grund.

Zerfälle und Abstraktionen. Wohnzimmerbefund.
Es dreht sich eine lange Weile im kleinen Abendland
der Sekundenzeiger der Uhr an der Wand.


XXVIII


Nach der Geschichte, die Reste. Verpackungen.
Zerläufe von Tusche. Made in... Die
Hörrohre eisiger Luft, sie
lauschen den Eierschalen, den eckigen Stücken.

Berge, in denen das riesige Vorrücken
von Fußstapfen widerhallt wie
Echos einer Toten-Kompanie:
Gegnicker eines Taubblinden auf Krücken.

Schuttfelder und die stillen Beziehungen
des Herumliegenden: Überdehnungen.
Zerläufe von Wimperntusche. Überall

aufgebrochene Augen. Sturmschritte um die
gnickernde, blinde, krückengestützte Mitte.
Echoland. Über-All – Überfall – Über-All.

XXIX


Ich träume, also bin ich – dreh mich um.
Wer bin ich, wenn nicht Teil in einem Speicher,
gespeichert – und der Speicherer ist reicher
als der Gespeicherte: wie dumm.

Ich träume und im Traum dreh ich das um:
Der Speicherer wird Stück für Stück mir gleicher
und Stück für Stück gespeicherter und bleicher.
Dann reißt der Traum. Ich wache auf. Wie dumm.

Wie bleich ich bin. Wie triste das Drumrum.
Wie wach bin ich? Wie miterwacht und stumm
die Mitternacht drumrum? Ist das nun Strafe?

Ist niemand da? Der dichtgepackte Raum
nur Speicherei des Speicherers? Der Traum,
was mag er zeigen, wenn ich weiterschlafe?









XXX

Wir fühlen die Züge der Düfte im Kreuz-Schacht:
das Schleichen im Boden, im Einbaum mit Vierung;
in Querhaus und Langhaus distanter Tor-Türung;
wir höhlen und schwärzen die Holzwand mit Brandnacht.

Wir spüren im Durchgang, daß draußen sich aufmacht,
was drinnen in heimlicher, dunkler Durchquerung
und rauchgleich, nach kunstvoller Wind-Dirigierung,
in Stoffen zusammenfällt, flieht, sich vervielfacht.

Die Mitte der Vierung, die schwarze Verführung,
die Züge von Venusberg-Fliegen-Zentrierung
an Rosen von blendweißer Aschewurf-Dauer;

sind Teller und Totpunkt und Quellen von Luft,
ein wimmelndes Opfer im Kreuzpunkt der Gruft:
ein Tierleib süß-sau-katalytischer Schauer.


XXXI


Wo man hinschaut, nichts als Gegend,
Bananen hält sie hoch, vielleicht.
Du nahst dich rasend, und sie weicht
zurück, bedächtig, eierlegend.

Weiß Geflecktes, Blau umliegend:
ein Blau, das in die Tiefe reicht,
und den, der dessen Schiffswand streicht
auf Abstand hält – ihm Händchen gebend.

Wo man hinschaut zeigen Pixel
Weite, Größe, Nichtsgetricksel:
Nirgends wiegt sich Pulverdampf.

Hoch im Blauen: Wolkenzüge,
großer Bahnhof, Blick und Lüge.
Tief im Kleinen liegt Mein Kampf.


XXXII

Herzköniginnenfarkt. Schnellerdur-
ammler. Ich weiß nicht, wer soll es
debeuteln, unruh ich volles
Programm: nur Balder: Kängur!

Pfotentote auf der Taschen-Tour,
Ichmus! Ichmus! Nur kleines
Trampln, Erdbefederbären, helles
Bierinnen Carninchen-Darfur.

Unruh ich nur, schreit
halsschnittartig Keinezeit, die
Omacht, Muttertür, Feuerfrei!

Asshologramm in einem anderen
Weißnicht. Fake die Königin! Doch
über allen Gipfeltreffern was der Durchfall ist.


XXXIII

Friedliche Rose, wirst mich totmachen.
Leersaugen wirst du mich. Ich werde
unter dir liegen, in Friedhofserde,
Rosenferkel sattzumachen:

ich tote Rosensau den kleinen Rachen
tiefer Wurzelsauggebärde.
Du bist geduldig, Rose: Rosenmorde
sind Wartesachen.

Dein Kumpel die Distel,
dein Kumpel die Mistel
sind harmloser als du.

Zartrosa bist du. Gott: Rose,
Scheinwaffenlose,
Blut ist im Schuh.








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XXXIV

Auschwitz ist eine Photoplatte. Immer wieder belichtbar.
Immer wieder mißverstanden wird diese Aussage werden. Wie:
Entenhausen ist Auschwitz. Sie werden durchs Tor gehen. Sie
werden heraustreten. Wieder und wieder unfaßbar.

Auschwitz ist eine Fotoplatte. Du sollst dir kein Bild machen. Er-
greift diese Platte wieder und wieder ein solches Bild. Sie
zeigt die schönsten Bilder. Die schrecklichsten zeigt sie nie.
Das Stehenbleiben seit der ersten Belichtung. Sie zeigt es weiter.

Das Stehenbleibenlernen. Das Weitergehen aus Hüllen.
Das Steckenbleiben im Festgehaltenen. Das Brüllen
der Tiere in viel zu engen Menschenhäuten.

Gefängniszellenteilen. Das Löschen der Lichter in
silberbildenden Nicht-mal-Bildern der Auf-Bilder-Richter.
Am Ende. Wenn die Farben in die Toten gleiten.


© Thomas Krüger, Juli 2009 - Juni 2010

Mittwoch, 1. Juli 2009


Ansicht eines Werbeplakats der ZEIT auf der
Fahrt von Köln nach Berlin. Dabei an
Navid Kermani denkend, nach Lektüre eines
Artikels von Necla Kelek in der WELT


Lieber Dr. K. – ich sah im Bahnhof Hagen
die Marylin. Sie las ein Buch: ergriffen.
Ulysses! Auf Plakat. Ich hab gepfiffen.
Die Lok fuhr an. Es blieben Fragen, Fragen:

Die Schöne wirbt jetzt für die neue ZEIT?
Korrekt, korrekt. Hat ihr wohl Arthur Miller
den Wälzer aufgeschwatzt? Der Freudenkiller?
Meint Blickfang-Sein hier nicht auch Fickbarkeit?

Was liest du im Bikini, Mädchen? Sprich!
Das grenzt ja fast an oben ohne, oder?
Und das, wo doch die ZEIT so auf Moder-

ne macht und Aufklärung, Vernunft. Hier nich?
Ist sie im Glauben an die Sinne festgezurrt?
Ich glaub dann mal an Jungfrauengeburt.

© Thomas Krüger, Juli 2009

Samstag, 27. Juni 2009


Tunguska

Eine Rekonstruktion, eine Sonde ins Zentrum der
Zerstörung und dessen – des Zentrums – Mittäterschaft,
dieser Verdacht, den das Zentrum nicht los wird, trotz aller
Betroffenheit: Jedes in eine Bewegung zwingbare Teil muß den
ungeheuerlichen Befehl verstanden und augenblicklich –
ohne, daß ein einziges Auge es sah – befolgt haben: diesen
magnetischen, mit den Trompeten von Jericho – so wird es
gewesen sein – angekündigten Befehl, der sich selbst so
lautlos verkündete. Aber die Kraft, die Vehemenz, die
unerklärliche Dunkelheit und Helligkeit des Befehls zog etwas
Bestätigendes, stumm Bejahendes aus der Dunkelheit der Taiga,
aus der Helligkeit, dem kalten Pfeifen der Steppe, den Trompeten.
Und dann warf sich alles nieder. Alles in die eine Richtung,
es gehorchte dem Befehl. Und im Zentrum
weist nichts darauf hin,
daß es das Zentrum
je gab.

© Thomas Krüger, Juni 2009

Dienstag, 23. Juni 2009


Welcher Gedanke

Welcher Gedanke steckte dahinter?
Moränen und Ringwälle? Ich denke –
das zählt nun nicht als Gedanke – ich denke,
Moränen schuf ein tieferer Winter,

ein Epizentrum bezwingender Kraft,
ein Gedanke, der zurückgezogen,
vorbei, bezwungen, längst verflogen,
als Nullpunkt noch kommende Fälle schafft.

Wälle sind Tropfenfolgen, gefrorenes
Zählen in diesem Hintergedanken,
Vorstoß im Rückzug – Verlorenes

im Rückzug des Vorstoßes. Wälle sind –
auch dieses zählt nicht als Gedanke –
Irrkreise im größeren Labyrinth.

© Thomas Krüger, Juni 2009

Montag, 1. Juni 2009


Carmina

I

Liegt im Krokus-Idyll ne Dose? Kölschglas-
groß? Ein häßliches blau-rot-silbergraues
Ding? Zerdrücktes Testat der letzten Nacht, die
schneller endete als der Rausch der Helden?
Gestern tobte das Spiel, die Blüten standen
gelblich, bläulich und stramm in schönen Beeten:
leuchtend Krokus an Krokus nah dem Parkweg.
Dann Gesänge, und nach und nach verblieb die
Stille betenden Mädchen bloß und Alten.
Grölend gestern aus feuchten Kehlen viele
Glatzen, schwitzend erblüht. Sie standen schwankend,
großen Blumen auf Stiefel-Stielen gleich am
Parkweg, ließen es laufen – gestern: lange.
Dann das Nachspiel: der Tag ergab sich kläglich.
Nacht erwachte und manche Glatze über-
gab sich: füllte mit rötlich-brauner Pampe
flugs in Beeten so manchen zarten Kelch. Ach:
Schön ist anders. Doch einen, scheint es, zogs im
Dämmern dämmernd ins Licht und nicht ins Koma.
Einer – nosce te ipsum – griff zur Cola,
ließ es zischeln und trank Red Bull, recht gierig.
Ja, zerknittertes Blech, das mags erklären.
Heute Stille. Die trikolore Dose
traf den genius croci nah dem Parkweg:
schweigend atmet der Ort den Geist Red Bullshits.


II

Ja, die Fenster der Häuschen dieser Siedlung:
offen, alle. Die Bahnen weißer Fahnen,
Schals und Übergardinen, drücken links und
rechts von Winden gebläht wie feine Segel
fahl aus jeder Etage: Engelsflügel…

Dann ein klickender Schalter, helles Leuchten…
Nein, die finstere Siedlung schafft Enttäuschung.
Rotes Pufflicht verkehrt die weiß geblähte
Unschuldsengel-Umrahmung ins Obszöne:
grelle Schamlippenpaare, alle offen.

Leise brummen wie Pumpen, die im Dunkeln
Hüpfburgfüllung betreiben, Luftmaschinen,
ziehen Zimmergespinste strumpfbandweise
häuschenkreislauferhaltend, frühlingsflatternd
durch die Flügel so manchen Ventilators.

Manches Häuschen betreibt im Brummen bloß des
großen Noppenvibrators kleine Spiele.


III

Liebster: heute im ICE nach Frankfurt,
irrend, flatternd im feinen Großraumwagen
früh am Morgen ein junger Spatz. Er piepste
kläglich, starrte mit großen Augen lange
aus dem Fenster vom ersten Tischplatz hinterm/
vor dem Eingang/dem Ausgang rechts – strich – links des
ersten Wagens der ersten Klasse, die den
Banker mainwärts, den blassen Gerling heimwärts,
südwärds shuttelt. Der Spatz saß zitternd staunend.
Draußen: rasende Landschaft, Flugsimultik.
Drinnen: zitternde FAZs, Getränke.
Kluge Köpfe dahinter, ruckend, Augen
rollend, Schädel beweglich, Blicke über
grobpapierne, für Scheißhauszwecke bestge-
eignet börsennotierte Blätter streichend,
lauernd schneidend den hohen Rand der Werte.
Jemand scherzte: „Der Spatz vom Wallraffplatz“, dann
Götterlachen, der Spatz, in Panik flatternd,
einmal, zweimal ans Fenster knallend, rückwärts
einmal, zweimal an hohe Biere prallend,
schoß vom Tischplatz in weitem Bogen auf und
schiß auf eines der ach so hohen Tiere.
Dieses rührte sich grunzend, andre schnaufend.
Allen schmerzte des feinen Tuches Naß, das
Pech des feinen Betuchten. Alle nahmen
Paper, rollten die FAZs und machten
prügelschlagende Jagd aufs schwach und schwächer
flügelschlagende Tier. Man rief den Schaffner,
schimpfte, fluchte auf Bahn und Service, ließ den
Mann das klägliche Reststück Spatz entsorgen.
Liebster: heute im ICE im Bahnhof
Frankfurt Flughafen flog ein toter Spatz aufs
kalte Gleisbett. Ein feiner Zug geht anders.


IV

Steht mein Wagen dort rasend parkend, Scheiben
runter? Flog ein berupfter, bunter Vogel
aus der offenen – ZACK – die Macht des Schließens
kühl vollziehenden Liebessuite des Staates?
Saust ein Lover mit irren Flügelschlägen
panisch flüchtend ins brüllend stille Grüne?
Fliegen Stücke von Dylle? Unschuldsblöße?
Stille? Stille? Tatsächlich nichts als Stille?

Blinzelnd guck ich ins schrille Lidschlagflattern
scharzer, roter, vielleicht auch goldner Augen
- hochfrequentes Vibrieren, quasistill - ich
schaue schwitzend vom Detektivsitz-Hochsitz
durch das runtergedrehte Seitenfenster
meines gelben, gebrauchten VW-Polo:

Da sind Bäume mit unscheinbaren Früchten,
dicke Stämme. Im Pflaster steckend, stecken
alte, knarrende Männer drin und diese
Männerkörper von 68 tragen
Wespennester im kopfhoch hohlen Holz und
Vögel zwitschern in hohen Modem-Tönen.

Glück und Frieden verströmen altes Holz und
grüne Kronen. Es nölen unerhörte
Martinshörner. Es plumpsen Äpfel, fallen
Schüsschen. Kackende Tölen legen braune,
weiche Brezelgebilde ins Betrachten:
Lover, vögelgebildet, Blinzelwesen.
Augen dieser I-Dylle, ruhige Kugeln:
schickt IMsig den ganzen Dreck an Google.


V

Vater, Deckel- und Topfbeherrscher, Nasen-
löcherhimmel, erhebe deine Rechte
samt dem Deckel, beschnuppre Unterdeckel-
tum, das suppige Treiben glänzend grüner Viertel:
sieh das Rührende: Fette, große Augen,
blick auf niedere Tiere (niedlich, friedlich
wohnt dort Kohle in wohlbestellten Hütten),
schicke Hunden, so weiß, mit dünnen Knochen,
Sträucher, Straßenlaternen ans Gepinkel:
Großer Löffel: befiehl die trüben Wege.
Dämpfe steigen aus Ökoösen dir zur
Nase, duftend zu Kopf, du Deckelheber,
-senker, Lenker und Geist, der nie verneint. Der
Tag sei offenes Blubbern. Nachts dann senke,
Herr, den Deckel, die Scheibe auf die Welt, denn
dank bedeckelten Garens naht vielleicht der
Tag da sieht man des Deckels Menetekel.


VI

Wankt aufs Stoppelfeld dort ein echter Dichter?
Steht er? Geht er und spricht ein großes Vers-Päck?
Lobt und deutet den Kurzschnitt? Düngt das Erdreich
wortreich? Eigenen Zwergwuchs alludierend?
Nein, er hat sich verirrt und murmelt ratlos,
hofft, erkenntnisgewinnend Drescherspuren,
klug den griffigen Rillen Richtung, Weg zur
nächsten größeren Straße zu entlocken.
Gern zum Taxistand: doch die stumme Krume,
leider, leider, sie taugt nicht recht als Navi.
Echter Dichter, du stiller Subtilist und
flinker Grünfuß im Kreis von Holzpantinen:
auf dem Stoppelfeld krückt dein flaches Trippeln
weder Freunden noch Nekrophilologen
Form und Richtung, den klaren Geist von Spur vor.
Harre, warte nur, balde – kommt ein Traktor.
Hörst du drüben, am Feldrand gegenüber,
lässig bollernd den Lanz, den alten Bulldog?
Glühkopf-Dampframme, Ursus, Pampa-Stampfer!
Freu dich, Dichter: der dichte schwarze Auspuff-
wolken schnaubende Acht-Gang-Minotaurus
hilft auch Jungfrauen kraftvoll aus der Patsche.
Lass ihn pflügen – danach gewährt dir gern der
heimwärts fahrende Bauer einen Sitzplatz:
hart, bedürftiger Dichter, kalt und schaukelnd
auf dem Sitzblech zur Linken oder Rechten.
Denk nur dankbar: das wars, ihr blöden Stoppel.
Hier verirre ich mich bestimmt nicht wieder.


VII

Glückwunsch, deutsche Chemie, für diese kluge
Festsubstanzengewinnung aus dem Reich der
Emotionen: dem dunklen, trüben, vagen.
Abzuscheiden gelang zunächst dir von den
vielen dumpfen Gefühlen jene namens
religiöse. Hurra, hurra, Nobelpreis!
Weiße Pulver der Klasse wasserfreier
„Religiöse-Gefühle-Carbonate“ –
Grundsubstanzen –, sie brachten Forscherteams von
fixen Drittmittelbindern Bundesgelder.
Gelder, Forscher und Pulver zog es flugs nach
Leverkusen und Hoechst und Ludwigshafen.
Dort dann rauchende Köpfe, Kolben, Schlote.
Neusynthesen: Nitrate, Zyanide,
Benzoide, Sulfate, Seifen-Ester…
Feinste Helfer der Wirtschaft: Schmiersubstanzen.
Wahnsinn, deutsche Chemie! Seit Haber-Bosch war
nichts mehr ähnlich erfolgreich – auch im Ausland.
Außer – sorry – die deutsche Giftgastechnik.


VIII

Nutzt das Schmetterlingsflügelwerk Berlin nicht
Tonnen rissigen Reissackstoffs? Es gibt jetzt
Nachschub! Setzen doch dort die alten Säcke –
Weihnachtsmänner – nun wieder mehr auf China,
lassen platzen, was platzen kann, und kippen,
fallen: Säcke, die alten, kaufen alte
Säcke. Diese vielleicht im Sun-Yat-sen-Schnitt?
Nun, ich meine den Anzug, den einst Mao
füllte, dehnte, bevor er seinen Blaumann,
munter quakend und zwitschernd plötzlich auszog,
großen Sprunges entschwand und „platsch!“ ein Bad nahm.
Tja: geplättete Felder, Bauern hinter-
ließ der schwallende Lehrer, Schwabbler, Hüpfer.
Und den Anzug. Das Tuch des Volkes, welches
lange rumlag. Tataaa!!! Vernehmt und prüft, ihr
Weihnachtsmänner in schicken roten Mänteln
diesen guten Gedanken: Teilt den Stoff und
schneidert Säcke daraus und füllt sie, füllt sie.
Füllt und haltet als Maß den fetten Mao,
gilt der Inhalt des großen Anzugs, dieser
fette Pimmelkopp doch erneut als heilig.
Fliegt und schultert die schweren Säcke, Säcke.
Laßt es regnen und segnet, wenn sie platzen,
Land und Leute, beschenkt sie, bis die Säcke
schlaff und leer sind. Sie werden reißen, glaubt es,
war der Anzug doch mehrfach überdehnt. Drum
schenkt, solange die Säcke schenken können:
nichts als dieses vermögen Weihnachtsmänner.
Sind sie leer und zerrissen, reicht sie weiter:
Gebt dem Schmetterlingsflügelwerk Berlin das
Zeug. Sie können dort solchen Schrott verwenden.

© Thomas Krüger, Juni - November 2009

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