Sonntag, 27. Juni 2010

Sommerfest

Der Bundespräsidentenfilter: lauter als die vielen Lüfter
von reifer oder älter gewordenen Prozessoren unter den
Schreibtischen und inneren Gartenbänken. Wind durch die
feinen Poren des freiheitsstatuenäquivalenten Runds,
das nicht rund ist: Wind, der nicht Wind ist, brennstaben-
gerade, durch enge Vuvuzela-Gänge längergezogen und
fröhlicher klagend, als die edel verkleideten Maschinen mit ihren
geheimhaltbaren Mechanismen von Hauen und Treten im Inneren:
listen and learn: von den Gartenfesten, Männern und Frauen in
Ämtern & Würden: Hussen, fein und fett über angedeutete Ausbruchsver-
suche von bild- und skulpturgewaltigen Schweinereien gezogen:
Der wieder so sichtbar gewordene Clark Kent in sämtlichen
Stadien des Hand-an-sich-selbst-Legens vor seiner beständig im
Off bleibenden endgültigen Verwandlung: Insektenklänge.
Bis hinein in das nanotechnische Atemluflose: das allumfassende Ver-
stopfen und schließlich die Super-Mario-Monteure von draußen,
die Vielen, die aussehen müßten wie Pornodarsteller ante portas:
gummistiefeltragend. Mein Gott, welcher Jubel.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Troja, Februar 2010

Heinrich Schliemann starb in der Saarstraße 12, an einem Tag, als
Bob der Baumeister nicht mehr weiterwußte. Es war Winter.
Der Hinterhof von Schliemanns Tod lag knöcheltief unter dem
Schnee von Beschwörungen, in dessen Krähenbetripplung Alz-
heimer-Heinrich, wie Nachbarn und örtliche Jugendbanden
den alten Mann seit Jahren nannten, sich Stunden zuvor noch
herumtappend vergänglich gemacht hatte: barfuß und radikal.
Bob der Baumeister hatte gesprochen, und die Fernsehapparate
der Welt waren entflammt wie von selbst, und Sophia Schliemann
lag im letzten Glanz eines ausgeglühten Quasi-Wahlkampfauf-
tritts Bobs im Bett: doch sah sie wohl, dass H. in Unterhosen,
sockenlos, das gemeinsame Wohn- und Schlafzimmer verließ.
Sie schloß die Tür. Die Krähen flogen auf und Heinrich ging
mit Spaten, nur im Hemd, ins weiße Beet und züchtigte den Kohl,
der gar nicht da war, warf die Mischmaschine an, die da war seit
der Nachbar nebenan im harten Friedhofsboden lag: besiegt.
Der Weg war frei für Heinrichs U-Bahn-Bau auf altem Muni-
tionsfabrikenuntergrund, in dem er dann und wann ein Stück
Gebiß, den einen oder andern Goldzahn oder Knochen fand,
doch dank der Krankheit merkte er das nicht. Er sammelte, und
alle Knochen wurden ihm zu Teilen einer Flugmaschine, die er
nachts im Schuppen nah der Grube aus dem Plan im Kopf als
breite Flügelkonstruktion versuchte nachzubaun, bespannt mit
klassisch klein karierten Tüchern fürs Geschirr, die seine Frau schon
länger irgendwo im Schuppen vermutete. An diesem Tag, als Bob
gesprochen hatte in den frischen Schnee und als die Tür ins
Schloß fiel, schnallte sich Schliemann die fertigen Flügel um und ver-
änderte die Botschaft der Krähenfüße, bevor er die schmale
Betoneinfassung des Komposthaufens bestieg und strauchelte und
zu Tode stürzte – in der Verzögerung des Erfrierens. Doch ein
Teil seiner selbst begann zu entschweben, verflog wie die
Essenz eines Geschirrtuchs, das mit Flugbenzin getränkt im
kalten Garten lag und steif und immer steifer wurde, und ein
Steif- und immer steifer Werden weitergab in alle Richtungen, von
diesem Ort, von dieser Stunde aus. Es dauert an.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Freitag, 25. Juni 2010

Ei-Ei-Ei

Dein Blick ist von der Dunkelheit der Shades
so blöd geworden, dass man denkt, dich traf
ein Schlaganfall von Coolness, armes Schaf.
Die Pipeline aus dem IPod pumpt Tom Waits

um ein Bedauerfunksignal von „NO BILL GATES“,
und manchmal, wenn dein Kopf sich rückwärts warf,
und seinen I-Phone-Seifenstück-Bedarf
am linken Ohr stillt, wünscht man Norman Bates

als Sidekick an den Ego-Duschvorgang.
O Held des I-Tech, abseits von Empfang,
nun schieb dir deinen Faustkeil in den Arsch,

Big Brother kann, nach jahrelangem Marsch,
dich dennoch schnell und einfach orten.
Das schluck – mit einem Eimer Ei-Verpoorten.


© Thomas Krüger, Juni 2010







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Mittwoch, 23. Juni 2010


Deftiger Brotzeitteller

Gewürzgurkenvakanz bei 280 Sachen.
Die Stille der Schinken-Scheiben.
Brennwerte. Zitterndes Liegenbleiben
von Schlangengurke beim Streckemachen.

Zug und Gedanken lassen es krachen.
Zahnlosigkeiten um all die Scheiben
von Welt und Wurst. Wir treiben
um Gurkenverluste im Flachlandrachen.

Schnellschlucken und Schienengetöse:
Ein Rest von Schwarzbrot, Wurst und Käse
verschwindet. Die Schlangenware,

bleibt weiterhin liegen. Ich fahre,
vermisse den Biss in würziges Grün.
Der Zug rast ziellos nach Berlin.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Plato verkennt die Realität

Das iPad galt bei Demokrit
als klarer Fortschritt, als aus Pad-
Atomen für ein High-Tech-Tipp-Gerät
atypisch seelenvoll gebautes Mac-Teil mit

der Mitteilung von Nicht-Durchschnitt;
Design an sich und päd-
erastlos einsetzbar, für Demokrit ein päd-
agogisch bitgewaltig geiles Zeichenkit.

Er saß ganz ungeteilt dahinter, touchend,
was Plato später, Demokrit abwatschend,
ein Unding nannte: Tafelperfidie.

Den Jungs in seiner Jung-Akademie
erklärte er, das Ding, bei Ding-Ansicht,
sei nur ein Schatten seiner selbst. Mehr nicht.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Samstag, 12. Juni 2010


Beim Betrachten eines Fotos von
PG Wodehouse und Herbert Grierson,


Der Grundgewißheit strenges Alphabet
ist wie ein alterndes Gebiß:
bei jedem Driss
fällt etwas, das bekrönt da steht

im allseits breigefüllten Kaugerät
schnell aus. Dann muß
ein neuer Schluß
die Lücke schließen – Wie das geht?

Man nehme da zum Beispiel das Axiom:
Nach allem Für und Wider ist es das Genom,
das Mensch und Tiere unterscheidet. Gut.

Dann folgt die Probe, die danebengeht.
Und aus der Lücke, die entstanden ist, entsteht:
Es ist – nach allem Für und Wider – wohl der Hut.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Freitag, 11. Juni 2010


Die Krieger aus den fernen
frikastralischen Gefilden,
lassen uns nicht in Ruhe mit ihren
Ungebildetheiten und
nutzen nun
I-Phones als Pfeilspitzen und
stehen vor Wien:

Oh!

Die Dinger sind schärfer geworden:
die Krieger aus den fernen
frikastralischen Gefilden
nutzen die I-Phones
der neuesten Generation.

© Thomas Krüger, Juni 2010
Du hältst Dir einen Igel ans Ohr,
und während du Hallo? sagst,
grüßt schon der Tag und deine
Hand, die blinde,
erschrickt zum Topfdeckel
der Marke I-Phone,
fällt ins Laub unter den
Urwaldbäumen auf dem hohen
Frauenbrusthügel
hinter Aschaffenburg um 9 Uhr 40.
Freizeichen und Panther: vom
Vorübergehn der Stäbe
bist du solch ein Floh geworden,
daß dich nichts mehr hält.
Kein Husten hör ich,
Iglein, Iglein in der Hand…
Hallo?!
Ich dachte,
ich schlafe noch,
aber dann...
mein teures, mich
bedeutend machendes
Nebenmir – im Irgendmeer
unter den Sitzen...

© Thomas Krüger, Juni 2010

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Der Krieg

Der Krieg, der moderne, mit seinen
unglaublichen Waffen, gehört zu den smarten
Schwiegermütterlieblingen, kaum zu den harten
Jungmanagern in Nadelstreifen.

Mädchen läßt er schlagartig reifen,
Jungs können es gar nicht erwarten,
zu trinken mit ihm. Ich mag seine zarten
Hände, die langgliedrig feinen.

Day after day we invest our Dorian-Greyness
in his strength and his gayness...
Dem Krieg sind 5 Stunden Schlaf genug für sein Wesen.

Sein sauberer Schreibtisch beweist, er schließt
die Lücken, die andere reißen. Der Krieg genießt,
was seine Touchscreen-Finger in uns lösen.

© Thomas Krüger, Juni 2010

Dienstag, 8. Juni 2010


Der Geist

Du kannst eine Lümmeltüte
auf deinen Max setzen.
Du kannst auf den Dax setzen,
Frauen in toxischer Dauerblüte

powerbetüten,
Aktien & Nacktien
anziehen & ausziehen:
es wird dir nichts nützen, das Wüten,

weil:
keine Ahnung: weil,
dings,

weil:
du weißt schon: weil
nun sag schon... steht links.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Friedenspfeifen...

Im Land der Wasserkocher
pfeifen in Hütten–, Palästekantinen
Küchenmaschinen
in Tönen, die Dünnbrett-Locher

verbrochen.
Dünnbrettlöchernes Greinen,
könnte man meinen,
von Pfeifen statt Köchen.

Und doch ist pures Futur
des Küchenmaschinenparks erste Natur.
Wer ließ dann an diesen die Nieten?

Ach nein, es ist schlimmer:
von Küchen kein Schimmer
kochen Eliten.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Regierungsbeteiligung

Du bist so müde, phantasierend, im Hotel…
Auf fernen Bonner Trimm-Dich-Rädern sitzt
von West-Regierung Restliches und schwitzt
so wie man schmilzt. Es ist noch hell,

im gleichfalls fernen Kanzleramt – und still.
Das Licht dort flackert, wenn ein Quentchen West,
ein Strampelndes, sein Trimm-Gerät verläßt
und abtritt und was Leichtes mit Becel

zu Abend ißt und schlafen geht
und sich nach Osten zu den Schafen dreht.
Doch geht das Licht nicht aus. Das Amt ist groß.

Du bist so klein. Dein Zimmerlein
läßt noch den feinsten Rest von Kanzlerschein
hinein – und ist er blaß und evangelisch bloß…

© Thomas Krüger, Juni 2010







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27. Mai 2010 – 23:20 – ZDF (Sonett mit Lunte)

ein Beitrag zur laufenden Papierflugmeisterschaft
der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung


Sonett, dir glückte hier ja fast ein Senkrechtstart,
so leicht bist du, so feingefeilt, so filigran:
Skelett des Phönix, lichtgleich, auf Papierflugbahn;
kein kritisches Gewicht zuviel zur Himmelfahrt

in dieser windgeschützten Halle: aufgebahrt,
auf stummen Flügen voller Kindergarten-Charme;
wo niemand nie ein störendes Hatschi! vernahm,
nur Schweben sah: so Bombiges, verunsichtbart.

Hier wirkt ein Frieden, alles Störende verpufft
so folgenlos. Hier steigt ein frommer Duft,
ein brandneu süßer Hauch von Luftgeburt.

Hier gehst du auf, Sonett, bist ach so nett
hier nichtzusehn – und nach dem Schluß-Terzett
bleibt nicht mal Wüstenwind. Nur heißes Nichts. Ein Fur(t)-
zzzzzz

© Thomas Krüger, Juni 2010


Blitz Licht

An der Palastmauer des Kaufens, lächelte da nicht
das Bild dieses flüchtend ausgestorbenen
Lächelmädel-Jagdttierchens aus dem Stall der
Modemarke Brax oder so? War dahinter nicht

ein Hufeisen-Totenschiff-Gebäude, außen mit Nachtlicht?
Lampen im Zahnweiß des Mädel-Gewalt-
Bilds mit Brax-Mann im lächelnden Hinterhalt?
Das Riesen-Mode-Höhlenwandbild? War das nicht?

Das brannte doch… das fing doch mit
den Zähnen…, nicht war? Das Mädel glitt
schwuppp… in die eigene Rosette von Feuer,

dann brannte der Kaufpalast dahinter ab: Sirenen
Großeinsatz, Anschlag mit 1000 Toten und Müttertränen.
Steht da nicht schon ein neuer?

© Thomas Krüger, Juni 2010







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Schöpfung

Grau preßt der Himmel seinen schweren
Regenarsch aufs Dachzimmer-Klofenster.
Ich scheiße mich lichterloh, beleuchtet von o-
ben, wo Fensterfarben-Fische sich leeren:

Über mir die Sintflut. Die Fische verkehren
im Hämorrhoidalen – und doch so
bleich und leichenstarr in dieser Möchtegernro-
sette von einem Dachfenster.

Ich denke, also bin ich die Trance
der harten Kanonenrohrbronze
von Rodins Penseur.

Passagen. Unter mir Dunkelheit, O-
deur du Mal. Wieviel Höllentor ist doch
vom Himmel herab jedes Durchgangsloch.

© Thomas Krüger, Juni 2010







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